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Banklexikon
Ausgabe 2014
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Allfinanz

1.  Begriff Der Begriff Allfinanz ist mehrschichtig und bedeutet primär ein absatzpolitisches Konzept von Banken und Versicherungen, dessen Ursprünge auf die Mitte der Achtziger Jahre zurückgehen. Das Ziel besteht in der Verknüpfung der Vertriebssysteme von Universalbanken (mit Filial- system) und von Versicherungen (mit Vertretersystem). Dabei sollen wechselseitig Versicherungsmarktleistungen in die Banksortimente und Bankmarktleistungen in die Sortimente von Versicherungsbetrieben aufgenommen werden, wobei der Schwerpunkt zweifellos bei der Nutzung von Bankvertriebskanälen liegen soll. Die Gesamtheit von Bankmarktleistungen und Versicherungsmarktleistungen, die sich für ein derartiges Cross-Selling eignen, sind als Allfinanzdienstleistungen bzw. kurz gesagt Allfinanzlei stungen aufzufassen. Beabsichtigt ist einerseits eine verbesserte Ausschöpfung der Kundenpotentiale, andererseits eine rationellere Marktbedienung, die auch der Bequemlichkeit der Kundschaft entgegenkommen soll, zumal Bank- und Versicherungsmarktlei stungen sozusagen aus einer Hand erhältlich sind und zeitraubende Nachfragen in verschiedenen Märkten bzw. Marktsegmenten entfallen. Die Problematik der Gestaltung eines derartigen Allfinanzangebots, kurz auch als Allfinanz zu bezeichnen, besteht darin, dass Versicherungsmarktleistungen grundsätzlich auf Risiko- Vorsorge ausgerichtet sind, während Bankmarktleistungen die Bedürfnisse nach Geldanlage, Geldversorgung und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs decken sollen. Allerdings ergeben sich erheblichere Überschneidungen in den Angeboten an Bankmarktleistungen und Versicherungsmarktleistungen, wenn sich die Betätigung von Versicherungsbetrieben stärker in den Bereich von Vermögens- und Kapitalanlagen (Asset Management) verlagert und damit direkte Konkurrenzbeziehungen mit den Bankbetrieben entstehen, die zunehmend ihre Schwerpunkte in das Investmentbanking verlagern. In dieser Situation fehlen den Versicherungsbetrieben geeignete Vertriebskanäle mit kompetentem Fachpersonal, die eine erfolgreiche Marktbearbeitung und Marktdurchdringung gewährleisten. Insofern bedeutet diese Entwicklung, dass von Seiten der Versicherungen verstärkt nach geeigneten Bankabsatzkanälen Ausschau gehalten werden muß, während im oben dargelegten Szenario mit weitgehend komplementärer Leistungspalette die Zusammenarbeit mit Banken keine großen Vorteile verspricht, zumal Banken zur Wahrung ihrer Geschäftsmöglichkeiten zur Gründung einer eigenen Versicherung im Kon- zemverbund übergehen bzw. übergegangen sind und Allfinanz in dieser organisatorischen Variante praktizieren. Damit erweist sich Allfinanz auch als organisatorisches Konzept der Eingliederung von Versicherungen in Bankkonzerne und vice versa von Banken in Versicherungskonzerne, wobei auch häufig wechselseitige Konzernbeziehungen auftreten können. Schließlich läßt sich mit Allfinanz auch eine unternehmenspolitische Strategie im globalen Markt bezeichnen, die darauf gerichtet ist, durch Installation von Allianzen zwischen Banken und Versicherungen eine globale Verbesserung der Marktpositionen zu realisieren, die auf einer arbeitsteiligen Gestaltung und Neuausrichtung globaler Geschäftsfelder und der Nutzung virtueller Märkte sowie virtueller Marktstrukturen beruhen, die neue Allfinanzangebote entstehen lassen. 1.  Allfinanz als absatzpolitisches Konzept Da das deutsche Filialbanksystem im internationalen Vergleich eine zu hohe Dichte aufweist, liegt es nahe, zur Verbesserung der Kostensituation und zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit im liberalisierten EU-Bankenmarkt einerseits Rationalisierungsmaßnahmen zu ergreifen, andererseits verstärkte Auslastungen der bestehenden Filialabsatzkanäle zu realisieren. Diese läßt sich vor allem durch Kooperation mit Versicherungen erreichen (Kooperationsmodell), die ein zusätzliches Angebot von Versicherungsmarktleistungen, insbesondere Lebensversicherungen, zur Folge haben. Bleibt der Bankbetrieb dabei ohne wesentliche Beteiligung durch einen Versicherungsbetrieb, so entscheidet weitgehend der Bankbetrieb über den Umfang der Kooperation. Dies kann nicht im Sinne der Versicherungen sein, die an verstärkten Marktauftritten interessiert sind. Sie streben daher an, wesentliche Beteiligungen an Banken, nach Möglichkeit Mehrheitsbeteiligungen, zu erwerben, um diese zu integrieren (Integrationsmodell) und dadurch auf den Umfang des abzusetzenden Volumens an Versicherungsmarktleistungen über diese Filial- bank direkt Einfluß zu nehmen. Liegen derartige Integrationsformen vor, so kann auch von Bank Assurance gesprochen werden. Aus der Sicht von Großbanken bietet das Kooperationsmodell Vorteile insofern, als konkurrenzfähige Produktlinien entstehen können, die auch zu einer verbesserten Auslastung der Vertriebskapazitäten beitragen und gleichzeitig die Eigenständigkeit des Bankbetriebes wahren. Darüber hinaus fließen dem Bankbetrieb im Rahmen der Abwicklung und des Beitragszahlungsverkehrs der in das Banksortiment aufgenommenen Versicherungsleistungen Erträge zu, die er ansonsten nicht hätte. Der Nachteil besteht für Bankbetriebe allerdings darin, dass sie bei Kooperation mit Fremdversicherungen auf Zuflüsse an Finanzmitteln verzichten müssen, die sie andernfalls über eigene Bank-Anlageleistungen an sich binden könnten. Dem kann allerdings dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass Banken Versicherungen gründen, die ein entsprechendes Beitragsaufkommen generieren und im nächsten Schritt zumindest Teile des Beitragsaufkommens der Bankkonzern-Mutter entsprechend den Möglichkeiten, die das Versicherungsaufsichtsgesetz zuläßt, konzernintern zur ertragsbringenden Anlage zur Verfügung stellen. Im Falle des Integrationsmodells ergreifen in der Regel die Versicherungen die Initiative und versuchen, das Filialnetz der in ihrem Besitz stehenden Bank für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Dieses Ziel wird umso vorrangiger verfolgt werden, als Versicherungen zunehmend im Asset Management in Konkurrenz zu Investmentbanken treten und nicht nur ihre Versicherungspolicen über den Bankapparat absetzen wollen. Gefragt sind in diesem Zusammenhang insbesondere auch Kapitalanlagegesellschaften, die über spezifische Kompetenzen verfugen und ohne große Probleme durch Schaffung neuer, zusätzlicher Fonds den Bedürfnissen und Zielsetzungen der Versicherungsbetriebe in der Vermögensverwaltung und dem Absatz von Leistungen des Asset Management entsprechen können. 2.  Allfinanz als unternehmenspolitische Strategie Neben den klassischen Formen der Allfinanz im absatzpolitischen Kontext entstehen in globalen Finanzmärkten neue Bedürfnisse für das Zusammenwirken von Großbanken und Großversicherungen, die durch gemeinsame Bündelung ihrer Ressourcen innovative Allfinanzleistungen im Rahmen von Mergers & Acquisitions, Financial Swaps und Strategischer Allianzen entwickeln. Sie tragen damit bei, die Marktposition von Nicht-Finanzunternehmen auf dem globalen Markt zu stärken und ggf. neu zu bestimmen. Der Finanzbedarf derartiger multinationaler bzw. globaler Unternehmungen läßt sich nicht mehr mit den üblichen Emissionen von Aktien und Schuldverschreibungen decken; vielmehr sind die institutionellen Investoren, also Banken und Versicherungen gemeinsam, gefordert, die Aufgabe zu übernehmen, laufend entsprechende Globalisierungsbedarfe aufzuspüren, sie umzusetzen und sie zu begleiten, und zwar in der Weise, dass innovative Finanzmodelle entstehen, die von anderen Akteuren nicht realisierbar wären. 3.  Allfinanz als organisatorisches Konzept Die Zusammenführung von Allfinanz-Kooperationspartnem einerseits und die Gewinnung von Allfinanz-Konzernbeteiligungen andererseits sowie deren dauerhafte Integration stellen ein eigenständiges, organisatorisches Problem dar, von dessen Lösung es abhängt, ob es überhaupt zum Angebot von Allfinanzleistungen kommt und ob diese nachhaltig an die Kundschaft abgesetzt werden können. Während im erstgenannten Fall grundsätzlich die Eigenständigkeit der Kooperationspartner gewahrt bleibt, erfolgt im zweiten Fall ein Unternehmenskauf. Diese Alternativen fuhren zu unterschiedlichen organisatorischen Konsequenzen bzw. Problemen: Bei Allfinanzkooperation kann sich die Zusammenarbeit auf einen Kooperationspartner beschränken (bilaterale Kooperation) oder auf mehrere Kooperationspartner erstrecken (multilaterale Kooperation). Es liegt auf der Hand, dass die bilaterale Kooperation zwar einfacher handhabbar ist, auf der anderen Seite aber die Sortimentsbreite und -Vielfalt geringer ist als bei multilateraler Kooperation. Allerdings ist die multilaterale Kooperation wegen der größeren Erfolgsaussichten im Produktbereich der bilateralen Kooperation vorzuziehen, die in Anbetracht des kleineren Sortiments Schwachstellen aufweisen kann. Aus der Sicht von Bankbetrieben, über deren Filialnetz die Produkte abzusetzen sind, spricht gleichwohl einiges für die bilaterale Kooperation, die exklusiv die Versicherungsprodukte eines Partners vertreibt, zumal multilaterale Kooperation Konkurrenzunterschiede bei den Produkten verwischen und die Marktposition der Bank schwächen kann. Um die Exklusivität des Absatzes von Versicherungsleistungen über Distributionskanäle von Banken zu wahren, kommt insbesondere der Kauf von Bankbetrieben mit entsprechenden physischen Filialnetzen oder fortgeschrittenen Lösungen auf der Basis von Telekommunikationsleistungen (bis hin zu virtuellem Absatz über öffentlich zugängliche elektronische Netze) in Betracht. In diesem Zusammenhang entsteht allerdings das Problem, dass sich die Banken mit besser informierten und stärker selbstbewußten Kunden konfrontiert sehen. Das bedeutet, dass durch die rasche Entwicklung des Internet und neuer Technologien im Mobilfunkbereich (Mobiles Banking) sich die Annäherung von Banken und Unternehmen des Telekommunikationssektors beschleunigt. Der Zugang zum Internet hängt beispielsweise nicht länger vom Zugriff auf einen Personalcomputer ab, sondern künftig stärker von einem mobilen Telefon. Damit wird die Vision einer Bank in der Tasche des Kunden nicht länger technische Vision bleiben, vielmehr kann mittels des WAP-Standards ein zunehmend großer Anteil des Privatkunden- stammes, auf den es auch bei der Allfinanz ankommt, erschlossen werden. Ein entscheidendes Element, das ein WAP-Portal bieten muß, sind entsprechend interessante Finanzdienstleistungen, möglichst Allfinanzleistungen, deren Vertrieb auch in diesem Zusammenhang primär von den Bankinstituten her erfolgen wird. 4.  Ausblick Die Entwicklungen im Telekommunikationssektor werden in Verbindung mit Banken und Versicherungen zu neuen Formen der Allfinanzleistungen führen, wobei die Telekommunikati- onsunternehmen die technische Basis von strategischen Allianzen bilden werden, von der aus Banken und Versicherungen neue Formen des Zusammenwirkens entwickeln müssen. Dabei zeichnet sich ab, dass Banken gewillt sind, die Kontrolle über den Zugang zum Kunden nicht aus der Hand zu geben und ihr Know-how, das sie bislang im Absatz über diverse Distributionskanäle gewonnen haben, zu nutzen und weiterzuentwickeln. Dabei dürfte eine Rolle spielen, dass durch neue Technologien die Banken stärker in die Lage versetzt werden, ihren Kundenstamm differenzierter aufzugliedern und problemlösungsgerecht vorzugehen. Allerdings wird für den Aufbau neuer, wettbewerbsfähiger elektronischer Plattformen für Bankleistungen und ggf. Allfinanzleistungen ein Kapitaleinsatz in beträchtlicher Höhe erforderlich sein, der nicht nur von den Banken, sondern auch im Verbund mit Versicherungen aufzubringen ist. Insofern ergeben sich auch neue organisatorische Herausforderungen für die Allfinanz.    





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