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Banklexikon
Ausgabe 2014
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Discount-Brokerage

1. Definition Unter dem Begriff Discount-Brokerage soll hier im Kern das auf den Privatanleger abzielende Wertpapierhandelsgeschäft gefasst werden, das gekennzeichnet ist durch günstige Konditionen und eine starke Internet-Komponente. Hierbei ist nicht nur der börsliche und außerbörsliche Handel mit Aktien, festverzinslichen Wertpapieren und Derivaten wie Optionsscheine und Zertifikate, sondern im weiteren Sinne auch die Vermittlung von Fonds und das Angebot von Fondssparplänen umfasst. Während in den Anfangsjahren D-B. in erster Line auf den selbständig agierenden und sich selbständig informierenden Privatanleger zielte, hat sich der Fokus nach und nach auch auf den beratungsafflnen Anleger erweitert. Damit entsteht allerdings das Problem, dass sich die Discount-Broker zunehmend dem Geschäftsmodell herkömmlicher Banken angleichen könnten. Die Zukunftsfähigkeit des D-B. als eigenständiges Geschäftsmodell wird davon abhängen, ob es gelingt die Ursprungsidee des Online-Brokerage, dem Privatanleger Zugang zum Gesamtmarkt zu vermitteln, ihm eine dem Profi vergleichbare Handlungsfähigkeit und Unabhängigkeit zu bieten, beibehalten läßt. 2.  Die Entwicklung des Discount-Brokerage Das Geschäftsfeld Discount-Brokerage ist in Deutschland ein vergleichsweise junges. Mit der Direkt Anlage Bank, einem Tochterunternehmen der damaligen Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank betrat im Mai 1994 der erste Discount Broker den deutschen Markt. Kurz danach folgte im Juni desselben Jahres mit Consors Discount-Broker, der zweite deutsche Discount Broker. Im Februar 1995 gründete die Commerzbank die Comdirect als Full-Service-Direct- Bank. Die hohen Kosten als direkte Erstbank führten zu einer Repositionierung der Comdirect zum Discount-Broker. Im Laufe der Zeit nahmen zu einem wie die Bank24 eine Tochter der Deutschen Bank, die ihren Online-Brokerage-Zweig mittlerweile in maxblue umbenannt hat, und andere D-B. als Geschäftsfeld auf, zum anderen traten in letzter Zeit ausländische Anbieter wie Fimatex, eQonline, SEBdirekt und andere mit teils agressiven Preis Strategien in den deutschen Markt ein, was zu einer spürbaren Verschärfung des Wettbewerbs führte. Allerdings konnten die Neuanbieter die dominierende Marktstellung von Comdirect, Consors, Direkt Anlage Bank und Maxblue nicht gefährden, sodass einige von Ihnen wie Systracom und eQonline im Laufe des Jahres 2001 aus dem Markt wieder ausgeschieden sind. Im Sommer trat mit dem s-broker der gemeinsame, aus dem Broker Pulsiv hervorgegangene Broker der Sparkassen in den Markt ein. Seit November 2001 ist mit E-trade auch der erste amerikanische Broker in Deutschland vertreten. Auch in den anderen europäischen Ländern hat sich das Geschäftfeld des D-B. rasant entwickelt, allerdings nicht in gleicher Weise wie in Deutschland. Der französische Markt ist mit dreißig Anbietern hoch fragmentiert, e-cortal, Fimatex, Selftrade, mittlerweile eine Tochter der Direkt Anlage Bank, und Consors führen hier den Markt an. In Großbritannien dominiert CharlesSchwab. Mittlerweile ist durch Übernahmen, Beteiligungen und Kooperationen eine Phase der Konsolidierung dieses Marktes eingeläutet. Der Markt ist dabei eine "Superliga" von Discount Brokern herauszubilden, wobei die deutschen Anbieter auch hier ganz vorne sind. In den USA hat D-B. eine längere Tradition. Der Branchenführer Charles Schwab aus San Francisco kann auf eine dreißigjährige Geschichte zurückblicken. Auch andere Unternehmen wie E*Trade und Ameritrade sind schon länger am Markt. Mittlerweile tummeln sich auf dem amerikanischen Markt mehr als 200 Unternehmen. 1.  Bedeutung des Internets Das Potential des D-B. kann nur vor dem Hintergrund der Entwicklung des Internets richtig eingeschätzt werden. Die Nutzung des Internets nimmt immer mehr zu, nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Mitte 2001 nutzen ca. 40 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre das Internet. Mit der Verbreitung des Internet wächst auch der Anteil derer, die über das Internet mit Wertpapieren handeln. Mit dem erleichterten Zugang zum Internet, steigt auch die Zahl derer, die auf elektronischem Wege Aktien ordern. Bis 2003 soll die Zahl der Europäer, die über das Internet mit Wertpapieren handeln, von gegenwärtig etwa 3,6 Millionen auf über zehn Millionen steigen. 5,2 Millionen sollen aus Deutschland kommen. Ende 2001 betrug die Anzahl der D-B. Kunden in Deutschland etwa 2,2 Millionen. 2.  Kernausrichtung im Discount-Brokerage Für den Discount-Broker ist es bedeutsam, seine Unternehmensphilosophie und -Strategie konsequent an diesen primären Kundenbedürfnissen auszurichten. Die Discount-Broker haben erkannt: Aus dem Kreis der jungen Wertpapieranleger von heute gehen die vermögenden Privatkunden von morgen hervor. Diese werden in vielen Fällen auf andere Produkte jenseits des Brokerage zurückgreifen, wenn sie ein Höchstmaß an Convenience, Produkt- und Preisqualität geboten bekommen. Ziel der Discount-Broker musste es daher sein, vom reinen "Orderabwickler" zum intelligenten Multistore für jedes Anlagebedürfnis zu werden. Es reicht nicht aus, sich auf einen Teilaspekt der Vermögensplanung und Lebensplanung zu beschränken. Hinzu tritt, dass das Anlageverhalten des Privatanlegers zwischen dem Risiko und Sicherheit hin- und herpendelt, und der Discount-Broker insofern gezwungen ist, eine Elastizität im Produkt- und Serviceangebot zu entwickeln, die dem Pendelverhalten des Privatanlegers Rechnung trägt. Die Kooperation und Online-Verknüpfung mit leistungsstarken Partnern rundet die Produktpalette ab. Gleichzeitig kann sich Consors kann auf sein Kemgeschäft als Wertpapierbroker konzentrieren. 3.  Internationalisierung Die großen Discount-Broker haben sich schon frühzeitig für eine europaweite Expansionsstrategie entschieden, um die bestehenden Wachstumspotenziale voll ausgeschöpfen zu können. Die Anzahl der D-B. Kunden soll in den Ländern Kemeuropas (also Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Spanien, Schweden, Schweiz, Großbritannien) von heute etwa 3,6 Millionen Kunden auf 17 Millionen Kunden steigen. Durch Ausnutzung des europaweiten Kundenspektrums sollen zudem entsprechende Skalenerträge (economies of scale) realisiert werden. Durch europaweite Plattformen und einheitliche Standards lassen sich die Kosten auf ein Niveau senken, das auch im harten Preiswettbewerb Profitabilität gewährleistet. Allerdings stehen im Moment das Fehlen eines europäischen Clearings einer zentralen Abwicklung entgegen. Ein länderspezifischer Erfolg ist außerdem nur dann gewährleistet ist, wenn die soziokulturellen Unterschiede entsprechende Berücksichtigung finden. Die Hoffnungen auf schnelle Profitabilität der ausländischen Töchter sind jedoch infolge des schlechten Marktumfelds 2001 geplatzt. Dies führte zum Rückzug einiger Anbieter vom deutschen Markt. Im November kündigte mit der Comdirect auch der erste große deutsche Discount-Broker den Rückzug aus Frankreich und Italien an. 4.  Strategische Schlüsselfrage Das schwache Marktumfeld hat das Jahr 2001 zu einem Schicksalsjahr für die Branche werden lassen. Denn dem überproportionalen Wachstum des Jahres 2000 folgte auf Grund rückläufiger Transaktionen ein Einbruch der Erträge. Dies zwang die Discount-Broker zu erheblichen Ko- stenreduzierungsmaßnahmen und den Abbau von Überkapazitäten. Den Discount-Brokern stellte sich in dieser Situation die strategische Grundsatzfrage. Dem Geschäftsmodell D-B. stellt sich in dieser Situation die strategische Schlüsselfrage. Über die Töchter der Großbanken schwebt, sofern die Profitablität auf kurz- und mittelfristige Sicht nicht wahrscheinlich ist, das Damoklesschwert der Integration in den Mutterkonzern. Eine solche Maßnahme macht insbesondere auch vor dem Hintergrund Sinn, dass die Discount- Töchter durch die Erweiterung des Produkt- und Serviceangebots und die Verbreiterung der Kundenzielgruppen in das Kemgeschäft der herkömmlichen Filialbanken vorstoßen, was zu Kannibalisierungseffekten zwischen Töchter und Mutter führt. Die Deutsche Bank hat nach dem Versuch der Installierung eines eigenständigen Brokeragegeschäfts diesen Schritt unternommen und hat den D-B.-Zweig integriert und an das Filialgeschäft angebunden. Auch die Tendenz zum Multikanal vertrieb, also das Angebot mehrerer Zugangswege wie Internet, Filiale mit persönlichem Berater und Außendienst sowie Telefon, wirken sich auf das Geschäftsmodell des D-B. aus, und hat dazu geführt, dass einige Discount-Broker ein Filialnetz aufbauen, das sich allerdings vom Konzept der klassischen Filialbank unterscheiden soll. Der Schritt in diese Richtung birgt die Gefahr sich von der Grundidee des D-B. zu sehr zu entfernen und damit in letzter Konsequenz D-B. als eigenständiges Geschäftsmodell in Frage zu stellen. Eine Überdehnung kann dazu führen, dass das Geschäftsmodell bricht. Das heißt aber nicht, dass eine Offline-Variante sich nicht grundsätzlich mit D-B. verträgt. Ein überzeugende Offline-Variante kann jedoch nicht in der Nachahmung des herkömmlichen Filialkonzepts bestehen. In den nächsten Jahren wird sich die Frage stellen, ob durch eine Konzentration auf das Kem- geschäft bei gleichzeitiger Abrundung des Service- und Produktangebotes D-B. als eigenständiges Geschäftsfeld erhalten bleiben kann. Das Vorbild aus den USA Charles Schwab mag hier geeignete Wege aufzeigen, wobei es immer fraglich ist, ob sich ein Geschäftsmodell, das in den USA erfolgreich ist auch auf europäische Verhältnisse übertragbar ist. Vieles wird auch davon abhängen, ob es gelingt die spezifischen Möglichkeiten des Internets für das D-B. nutzbar zu machen. Das ist nicht zuletzt eine Frage unternehmerischer Kreativität, Vorausschau und Durchsetzungsfähigkeit. D-B. als eigenständiges Geschäft muss keine Vision bleiben.        





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