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Banklexikon
Ausgabe 2014
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Börsenpsychologie

1. Börsen und Gefühle Wenn Börsen boomen, die Kurse ins schier Unermessliche steigen, aber genauso wenn die Baisse wütet und immer neue Tiefs markiert werden, dann spüren private wie professionelle Anleger, dass die üblichen fundamentalen Bewertungsmaßstäbe kaum noch ausreichend Orientierung geben. Dann kommt Psychologie ins Spiel, dann brechen zwischen Gamma und Delta der effizienten Kapitalmarkt- und Optionspreistheorien menschliche Gefühle hervor. Börsen- oder auch Investmentpsychologie beschäftigt sich mit dem Einfluss von Gefühlen auf das Anlageverhalten, zum einen auf der Ebene des Individuums, zum anderen - in aggregierter Form - auf der Ebene des Marktes. Psychologische und wirtschaftliche Aspekte werden also gemeinsam untersucht. Im Unterschied zur Fundamental- und zur Technischen Analyse, die sich auf Bestimmung von Werten bzw. Kursentwicklungen konzentriert, richtet sich Börsenpsychologie auf das kursbeeinflussende Verhältnis unterschiedlicher Emotionen. Zwei typische kursbeeinflussende Antipoden auf der Gefüihlskala sind Gier und Angst. Wie nachhaltig menschliche Gefühlswal- lungen die Märkte beeinflussen können, lehrt ein Blick in die Börsengeschichte. Erreichen die Emotionen der Anleger Extremwerte, kulminieren sie in Panik oder Euphorie, erreichen auch die Kurse Höchst- oder Tiefstände. Abweichend vom Ertragswert zahlen die Anleger dann Aufschläge oder fordern Abschläge, deren Höhe ein Kursbestimmungsfaktor darstellt. Gleich einem Motor treiben die Emotionen permanent die Kurse über den Ertragswert hinaus von einem zum anderen Extrem. Spekulative Blasen bauen sich auf und zerplatzen. Börsenpsychologie stellt kein geschlossenes wissenschaftlich abgesichertes Lehr- und Theoriegebäude da. Sie umfasst zum einen Erkenntnisse ökonomischer und psychologischer Forschung wie sie in jüngster Zeit durch Behavioral Finance, die verhaltensorientierte Kapitalmarkttheorie, beschrieben wird. Zum anderen bezieht sie immer wieder die Erfahrung von Praktikern, bewährte Psychoregeln und Anlagestrategien ein. Aus Sicht der Anleger ist entscheidend, was davon wann und wie lange "funktioniert", mit welchen Methoden sie also erfolgreicher, sprich gewinnträchtiger an den Märkten agieren. 1.  Geschichtliche Entwicklung "Börse ist Psychologie", hat der Buchautor und Börsenspekulant Andre Kostolany immer wieder als Quintessenz seiner Anlageerfahrung weitergegeben. Dies ist keine neue Erkenntnis. Denn schon in den frühen Schriften zum Börsenwesen finden sich mannigfache Hinweise, wie psychologische Faktoren die Preisbildung beeinflussen. So kennzeichnet Joseph de la Vega, der in seinem Werk "Confusion de Confusiones" 1688 die Verhältnisse an der Amsterdamer Börse beschreibt, die Mentalität von Spekulanten wie folgt: "Wenn der Käufer von Aktien sieht, dass sie fallen, zürnt er, gekauft zu haben; wenn sie steigen, zürnt er, verkauft zu haben; wenn die Aktien steigen, der Verkauf Gewinn bringt und sie dann einen noch höheren Kurse erreichen, so zürnt er, dass er sie zu billigerem Preis abgegeben hat; wenn er weder kauft noch verkauft und der Kurs steigt, zürnt er, dass er, obwohl Veranlassung zum Kauf vorlag, diesen nicht ausgeführt hat; wenn der Kurs sinkt, so zürnt er, dass er, obwohl Grund zum Verkauf vorlag, sich zu diesem nicht entschlossen hat. Wenn man ihm irgendeinen Wink oder Ratschlag gibt, so zürnt er, dass man es ihm nicht früher sagte. Wenn es ein Irrtum ist, so zürnt er, dass man es ihm sagte. Alles an der Börse ist somit Untreue, Reue und Wahn." Schon in diesem Werk sind also verschiedene Verhaltensweisen wie selektive Wahrnehmung oder Kontrollillusion beschrieben, die heute Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sind. Die Börsengeschichte stellt sich als eine lange Kette emotionaler Extremsituationen dar. Besonders in Zeiten wirtschaftlichen Aufbruchs gab es immer wieder Banken- und Börsenkräche -    seien es die Südsee-Spekulation 1720, die Gründkräche in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, der Schwarze Freitag 1929, der Crash von 1987 oder die zerplatze Technologieblase 2000. Kein Wunder, dass solche Gefühlswallungen Schriftsteller inspirierten. So liest sich zum Beispiel Emile Zolas Roman von 1891 ,,L’Argent" wie eine Fallstudie der Börsenpsychologie. Die Psychologie, die sich im 19. Jahrhundert als eigenständige Wissenschaft zu etablieren begann, nahm sich zunächst kaum der Finanzmärkte als Untersuchungsobjekte an. Die Nationalökonomie, die in ihren Anfängen besonders bei der Formulierung von Nutzentheorien psychologische Betrachtungsweisen beherzigte, wird seit den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts vom neoklassischen Theorieansatz dominiert. In seinem Mittelpunkt steht das Modell der vollkommenen Konkurrenz, das einen stets rational handelnden homo oeconomicus voraussetzt. Dieses Modell stand auch Pate für die moderne Kapitalmarkttheorie, die seit Beginn der sechziger Jahre die wissenschaftliche Diskussion beherrscht. Anfang der siebziger Jahre entwickelte Eugene Fama die These von der Informationseffizienz der Märkte, mit der seitdem Kapitalmärkte meistens beschrieben werden. All diese Ansätze kranken jedoch daran, dass sie ratio- nales Verhalten und vollkommene Information voraussetzen - zwei Bedingungen, die in der Realität nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich sind. Psychologisch bedingte Abweichungen wurden demnach als Störungen betrachtet, als Anomalien im Marktgeschehen. Sogenannte Noise-Trader mit einem zum rational handelnden Investor deutlich verminderten Informationsstand wurden für solche Irrationalitäten verantwortlich gemacht. Wegen der zunehmenden Unzulänglichkeit solcher Erklärungsmuster entwickelte sich in den achtziger Jahren ein neues Forschungsgebiet: Behavioral Finance. Es agiert im Spannungsverhältnis von Ökonomie und Psychologie. Seine Erkenntnisse finden zunehmend Beachtung. So gab der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan 1996 und 1997 seiner Sorge um die heißgelaufenen Börsen Ausdruck und warnte vor "irrationaler Jubelstimmung". Seine Rede vor dem amerikanischen Kongress am 26. Februar 1997 liest sich wie ein Auszug aus den Lehrbüchern des Behavioral Finance: "Nach der Periode einer langanhaltenden wirtschaftlichen Entspannung, werden die Menschen anfällig für Sorglosigkeit," so erklärte Greenspan den Abgeordneten. Die Risikoprämien seien auf ein Minimum gefallen und man höre überall zur Beruhigung, dies sei eine "neue Ära". Dann warnte er: "Die Geschichte ist voll von solchen neuen Ären, die sich als Illusion entpuppten." Solche Äußerungen und nicht zuletzt das entschlossene Gegen- steuem in der Asienkrise 1998 unterstreichen, wie stark die Notenbanken inzwischen die Psychologie der Finanzmärkte in ihr Kalkül einbeziehen. 2.  Behavioral Finance Die bahnbrechenden Arbeiten De Bondt und Thaler Mitte der achtziger Jahre gaben entscheidenden Anstoß zur Entwicklung dieses neuen Forschungsgebietes. Das Primat der Rationalität der Marktteilnehmer wird grundsätzlich durch eine eingeschränkte Rationalität ersetzt. Irrationalität wird thematisiert, Verhaltensanomalien werden systematisch untersucht. Die Ansätze bauen auf den Erkenntnissen der Psychologen Kahnemann und Tversky auf, die in umfangreichen psychologischen Experimenten festgestellt haben, dass sich Anleger in der Regel Heuristiken, sogenannter Daumenregeln bedienen, um die Komplexität von Entscheidungssituationen zu meistern. Hinzu treten weitere Phänomene wie die selektive Wahrnehmung und die Kontrollillusion. Aus diesen Phänomenen haben Goldberg und v. Nitzsch 1997 vereinfacht fünf Rationalitätsfallen und entsprechend fünf Anlegertypen entwickelt: Vorschnelles Handeln. Dieser Anlagertyp nimmt sich nur wenig Zeit zur Analyse, verarbeitet Informationen schematisch, liebt Faustformeln und neigt deshalb zu Fehleinschätzungen. Oft sieht er Zusammenhänge, wo gar keine sind, nur weil sie gut in seine Denkschemata passen. Selbstüberschätzung (Kontrollillusion). Dieser Anlegertyp glaubt, dass seine Kursprognosen meist zutreffen und dass er die Märkte im Griff hat. Besonders nach erfolgreichen Engagements nimmt er hohe Risiken auf sich. Sein Ziel ist es, möglichst schnell reich zu werden. Deshalb hat er in der Regel viel Geld in wenige Papiere investiert. Fixierung auf den Einstandspreis (Mental Accounting). Dieser Typ führt für jedes Engagement ein eigenes Konto. Er orientiert sich zu sehr am Einstandspreis und will unbedingt jede Position mit Gewinn abschließen. Verlustreiche Positionen lässt er oft zu lange laufen und realisiert Gewinne zu früh. Hängen an Entscheidungen (selektive Wahrnehmung). Diesem Typ fällt es schwer, sich einzugestehen, dass er etwas falsch gemacht hat. Er hängt emotional sehr an seinen Entscheidungen. Er will sich ständig rechtfertigen und neigt dazu, Informationen, die ihm gelegen kommen, stärker zu gewichten. Übertriebene Angst (Angst vor Kontrollverlust). Dieser Investor hat ein hohes Bedürfnis nach Kontrolle. Bei großen Kursschwankungen gerät er in starken Stress, fühlt sich ausgeliefert und hilflos. Zeitweise ist er wie gelähmt und neigt dann wieder zu panischen Reaktionen. Lukrative Gewinnmöglichkeiten verpasst er häufig. Solche Anomalien im Sinne rationalen Verhaltens sind bei jedem Anleger mehr oder minder stark ausgeprägt. Ein Anlegertest in der Zeitschrift BÖRSE ONLINE 1999 hat ergeben, dass solche Anomalien negativ mit der Erfahrung am Börsengeschehen korreliert sind: Je größer die Erfahrung desto geringer sind sie ausgeprägt. Überträgt man solche Prägungen von Anlegern nun auf die Marktebene, lassen sich Marktphasen identifizieren, in denen das beschriebene Verhalten unterschiedlich stark wirksam ist, am deutlichsten in Hausse- oder Baissephasen. Soziale Effekte der Imitation führen zu dem immer wieder beschriebenen beobachteten Herdenverhalten, das schließlich in Trendumkehr und Trendbrüchen mündet. Trotz oder gerade wegen der Fülle der individuellen Phänomene ist es noch nicht gelungen aus den Erkenntnissen von Behavioral Finance zuverlässige Instrumente für die Prognose des Marktgeschehens zu entwickeln. Auch wenn psychologische Ketten identifiziert werden können, lässt sich kaum Vorhersagen, wie lange sie wirken. Hier dürfte Behavioral Finance Impulse für die Weiterentwicklung der technischen Analyse geben, die sich mit der Identifizierung von Trends und von Trendwechseln im Börsengeschehen befasst. 3.  Messung der Marktpsychologie Wenn Gefühle die Märkte regieren oder wenigsten beeinflussen, so ist es offenbar sinnvoll diese Kräfte zu identifizieren, zu messen und für die Prognose von Anlegerverhalten zu nutzen. Dazu dienen einmal Charts, die Preisinformationen im Zeitablauf wiedergeben, zum anderen spezielle Indikatoren, die sich direkt auf den Grad des Pessimismus oder Optimismus im Markt beziehen. Der Psychologe und Trader Alexander Eider bezeichnet diese Methoden als "angewandte Sozialpsychologie". Sie alle beruhen auf der Annahme, dass das Verhalten der Marktteilnehmer über längere Zeit hinweg im Durchschnitt stabil ist. In der klassischen Chartanalyse steht das Kurs-Umsatz-Verhalten im Mittelpunkt. Bestimmte Formationen gelten als Untermauerung eines längeren Trends, andere wiederum als Anzeichen eines bevorstehenden Trend Wechsels. Die meisten direkt auf die Anlegerpsychologie zielenden technischen Indikatoren funktionieren innerhalb eines bestimmten Rahmens als trendbestätigende, darüber hinaus als Kontraindikatoren. Erreicht der Grad des Optimismus ein durch langjährige Erfahrung bestimmtes Maß, schlägt der Trend meist in das Gegenteil um. Entsprechendes gilt für den Grad des Pessimismus. Bekannte Stimmungsindikatoren sind u. a. das Verhältnis von optimistischen zu pessimistischen Börsenbriefen und Beratern, das Verhältnis von Put- zu Call- Optionen, Mittelzuflüsse und Barquoten von Investmentfonds oder Messung des KursUmsatzverhaltens und Identifikation von gegenläufigen Entwicklungen. Danach gelten zum Beispiel geringe Barbestände von Fonds oder hohe Umsätze ohne weiter steigenden Aktienindizes als relativ sichere Zeichen für bald fallende Kurse. Wie zuverlässig diese Indikatoren jedoch sind, um den besten Ein- und Ausstieg für ein Engagement herauszufinden, ist umstritten und offenbar von der jeweiligen Marktphase abhängig. In Trendmärkten gibt es nach den Erfahrungen relativ gute Signale, in seitwärtsgerichteten und gleichzeitig volatilen sogenannten Sägezahn-Märkten relativ viele Fehlsignale. Zum Teil ist dies mit der Funktionsweise von Märkten zu erklären. Der typische Anleger erfüllt darin einerseits eine kognitive, andererseits eine teilnehmende Rolle. Was funktioniert, wenn wenige viele messen und aus dem Verhalten der Masse vorausschauend ihren Gewinn erzielen, versagt oft dann, wenn viele viele messen. Wenn zum Beispiel beim Erreichen eines Chartpunkts alle Verkaufsorder auf einmal erteilt werden, sackt der Preis mangels Käufer viel tiefer ab, als beabsichtigt. Umgekehrt steigt er auch viel höher als beabsichtigt. Die Prognosen erfüllen sich selbst. Da jedoch eine Fülle technische Analysemethode miteinander konkurrieren und zudem die Spannweite der Interpretationen recht weit ist, bleibt die Marktpsychologie weiterhin nur begrenzt berechenbar. 4.  Psychologie und Anlagepraxis Außer den Ansätzen des Behavioral Finance und der technischen Analyse lassen sich durchaus praktische Psychoregeln als eigenständige Schule begreifen. Besonders in den USA, floriert die Branche, die Händler psychologisch auf Erfolg zu trainieren verspricht. Diese Entwicklung erklärt sich zu einem daraus, dass Amerikaner in der Regel unbefangener als Europäer Rat auf der Couch des Psychologen suchen, zum anderen mit dem ungeheuren psychischen Druck, dem Händler an den Börsen, in den Banken und Investmenthäusem ausgesetzt sind. Diese Schule bindet Erkenntnisse der Kapitalmarktforschung, der Spieltheorie und praktische Börsenerfahrung mit psychologischen Trainingsmethoden zusammen. Ziel ist es, den Anleger und Händler emotional fit für das Auf und Ab der Kapitalmärkte zu machen. Dazu sollen die Individuen ihr Selbstbewusstsein stärken und emotionale Disziplin einüben, um per saldo erfolgreicher an den Märkten zu agieren. Ausgangspunkt ist die Devise: Erkenne dich selbst. Der Anleger soll sich zunächst über seine Absichten bei seinen Börsengeschäften klar werden sowie seine Schwächen und Stärken schonungslos analysieren. Nur wer seine Fehler akzeptiert und aus ihnen lernt, wer seine Erfahrung systematisch reflektiert, wird demnach sein Investitionsverhalten sukzessive verbessern. Gemäß dieser Sichtweise steht nicht die Prognose künftiger Ereignisse, sondern der Umgang mit den Zufälligkeiten des Marktes im Mittelpunkt. 5.  Money Management "Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen", lautet eine alte Börsenregel. Sie ist leicht dahingesagt, völlig plausibel, nur in der Praxis äußerst schwer zu befolgen. Der im angelsächsischen Sprachraum übliche Begriff des Money Management dient der Selbstdisziplinierung. Es befasst sich zuerst mit dem zweiten Teil der genannten Börsenregel. "Das erste Ziel des Money Managements ist, das Überleben zu sichern. Man muss Risiken vermeiden, die einen aus dem Geschäft werfen können", formuliert zum Beispiel der amerikanische Psychologe Alexander Eider. "Das zweite Ziel ist es, ein gleichmäßiges Einkommen zu erzielen, und das dritte hohe Gewinne zu realisieren - doch das Überleben kommt an erster Stelle." Money Management ist damit als umfassendes System der Risikokontrolle definiert. Es richtet sich vor allem an Trader von Derivaten, die anders als langfristig orientierte Investoren in Aktien, Verluste nicht aussitzen können. Aber auch für Langfristanleger hat diese Methode ihre Berechtigung. Money Management im weiten Sinn beruht auf drei Faktoren, die sich durchaus mit der modernen Portofoliotheorie treffen: Kapitalkontrolle: die Aufteilung zwischen spekulativen und konservativen, zwischen risikoreichen und relativen sicheren Anlageinstrument. Diversifikation: die Streuung der Anlagen, um mögliche Verluste durch Gewinne in anderen Anlagen zu kompensieren, besser noch überzukompensieren. Risikokontrolle: Begrenzung des Kapitaleinsatzes und Beschränkung des Verlustrisikos durch Setzen von Stoppkursen. Besonders das letzte Element, oft auch als Money Management im engeren Sinn definiert, ist unter Investoren heiß umstritten. Es bedingt, dass der Anleger bewusst kleine Verluste akzeptiert, um größere zu vermeiden. Zudem ist die Angst vieler groß, ausgestoppt zu werden, um kurz danach fassungslos kräftig steigenden Kursen hinterher zuschauen. Dagegen steht die - auch empirisch untermauerte Erfahrung - über alle Schwankungen hinweg langfristig steigender Kurse am Aktienmarkt. Über kurz oder lang werden mit dieser Buy-and-Hold-Strategie Verluste immer wieder ausgebügelt und per saldo in Gewinne verwandelt, erst recht wenn ein Depot ausreichend genug diversifiziert ist. Allerdings zeigen der Kurssturz an der überbewerteten japanischen Börse 1990 und die nachfolgende langjährige Baisseperiode, der Crash auf Raten nach der geplatzten Technologieblase ab 2000, dass selbst diese Langfriststrategie erhebliche Risiken bergen kann. Ein kurzfristig agierender Anleger kommt um Methoden des Money Managements nicht herum. Nur so kann er verhindern, unkalkulierbare Verluste einzugehen und sich letztlich finanziell zu ruinieren. Für den Handel mit Optionen und Futures, die eine begrenzte Laufzeit haben, in deren Preisbildung die Schwankungsbreite (Volatilität) und der Zeitwert einfließen, ist Money Management unerlässlich. Schon eine kurze Korrektur kann dazu führen, dass der Einsatz je nach Art des Warrant völlig verloren geht. Letztlich beruhen auch die Risikokon- troll-Systeme der Banken auf den Erkenntnissen des Money Managements. Bei zunehmender Volatilität werden die Positionen zurückgefahren, bei bestimmtem Umfang der Verluste sofort geschlossen. Wie wichtig dieses ist, hat nicht zuletzt 1995 der Fall der Barings Bank gezeigt, die durch die Engagements ihres Derivatehändlers Nick Leeson ruiniert wurde. 6.  Psychologie und Anlageerfolg Inwieweit Psychologie im einzelnen den Erfolg bei der Geldanlage bestimmt, ist selten präzise festzustellen. Denn in der Regel nutzen die Markteilnehmer mehrere Ansätze, um ihre Entscheidungen zu treffen. Auffällig ist jedoch, dass fast alle überdurchschnittlich erfolgreichen Trader ein individuelles System emotionaler Disziplinierung praktizieren. Selbst für so hervorragende Vertreter der wertorientierten Kapitalanlage (Value Investing) wie Warren Buffett dienen Kennziffern zur Bestimmung von Uber- oder Unterbewertung nicht nur zur Entscheidungsfindung sondern auch zur Disziplinierung. Die Psychologie der Märkte zu erkennen sowie wie auch die eigene Psyche in den Griff zu bekommen, sind offenbar wichtige Faktoren für den Anlageerfolg. Sie sind mindestens genau so wichtig, wenn nicht gar wichtiger wie die Analyse von fundamentalen Faktoren, etwa von Zinsen, Wechselkursen und Gewinntrends. Auf Börsenpsychologie bauen denn verschiedene erprobte Strategien an den Kapitalmärkten auf, seien sie nun pro- oder antizyklisch orientiert. Sie mögen das Chance-Risiko-Verhältnis bei Anlageentscheidungen vergrößern, doch ihren Erfolg können auch sie nicht garantieren. Trotz oder gerade wegen der Methodenvielfalt bleibt aus der Sicht eines Börsenpsychologen erfolgreiches Investieren an den Kapitalmärkten letztlich, was es immer schon war: mehr Kunst als Wissenschaft. Literatur DE BONDT, W.F.M./THALER, R. H. (1985), Does the Stock Market Overreact? in: Journal of Finance Vol 40, No. 3, S. 793-805. DE LA VEGA, J. (1994), Confusion de Confusiones, 1688, deutsch: Die Verwirrung der Verwirrungen, Kulmbach, S. 81. ELDER, A. (1993), Trading for a Living - Psychology, Trading Tactics, Money Management, New York, S. 258. FAMA, E. F. (1970), Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, in: Journal of Finance, Vol 25, No. 2. GALLEA, A. M./Patalon in, W. (1998)., Contrarian Investing New York. GOLDBERG, J./VON NITZSCH, R. (1999), Behavioral Finance, München. IMBACHER, H./JÜNEMANN, B. (1998), Verüeren und doch gewinnen, BÖRSE ONLINE 23/98, S. 10-18. JÜNEMANN, B. (1999), Nichts zählt so sehr wie Erfahrung, in: BÖRSE ONLINE 45/99, S. 64 - 75. JÜNEMANN, B./SCHELLENBERGER, D. (Hrsg.) (1997), Psychologie für Börsenprofis - die Macht der Gefühle bei der Geldanlage, Stuttgart. KINDLEBERGER, C. P. (1996), Manias, Panics and Crashes, New York, 3rd ed.. KIEHLING, H. (1991), Kurstürze am Aktienmarkt, München. PRING, M. J. (1993), Investmentpsychology explained, New York. SCHWAGER, J.D. (1992), Magier der Märkte, Kulmbach. THARP, V. K. (1999), Trade Your Way To Financial Freedom, New York. TVERSKY, A. /KAHNEMANN, D. (1985), Judgement under Uncertainty: Heuristics and Biases, in: Science Vol. 1985, S. 1124-1131. ZOLA, E: (1995), L’Argent, deutsch: Das Geld, Berlin.





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