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Banklexikon
Ausgabe 2014
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Börsenhandelsaufsicht

1.  Notwendigkeit einer Börsenhandelsaufsicht Die zunehmende Öffnung der nationalen Kapitalmärkte stellt diese in Wettbewerb mit ausländischen Kapitalmärkten. Börsen sind ein essentieller Bestandteil nationaler Kapitalmärkte. Sie übernehmen Finanzierungsfunktionen für die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen, wobei die Allokation der verfügbaren Mittel über den Preis gesteuert wird. Eine wirksame Börsenhandelsaufsicht, die einen Prozess fairer und ordnungsgemäßer Preisbildung an den Börsen ermöglicht und dauerhaft gewährleistet, wird dadurch zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor und zu einem Gütesiegel für jeden nationalen Finanzplatz. Diese Erkenntnis hatte sich spätestens Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts durchgesetzt, als erkennbar wurde, dass der Finanzplatz Deutschland Geschäftsvolumen an ausländische Finanzplätze verlor und sich Börsenumsätze in deutschen Werten verstärkt an ausländische Börsenplätze verlagerten. Als Grund für diesen Verlagerungsprozess wurde insbesondere der Mangel an einer unabhängigen und schlagkräftigen Aufsicht im Bereich des Wertpapierhandels identifiziert. Als nicht ausreichend unabhängig wurde die deutsche Aufsicht vor allem deshalb angesehen, weil sie im Bereich der Beaufsichtigung des börslichen Handels als freiwillige Selbstverwaltungsaufsicht der Handelsteilnehmer organisiert war; - als wenig schlagkräftig deshalb, weil selbst festgestellte Verstöße mangels gesetzlicher Normen keine adäquaten Sanktionen fanden. Es bedurfte dringend einer Aufsicht, die eine Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer unabhängig von ihrer Stellung und Bedeutung am Markt sicherstellt und zudem gewährleist, dass die Interessen der an der Börse selbst nicht präsenten Anleger wirksam geschützt werden. Die nahezu zwangsläufige Konsequenz zur Verbesserung dieser unbefriedigenden Situation waren Bemühungen des Gesetzgebers, die deutsche Aufsicht internationalen Standards anzupassen. Das Ergebnis dieser Bemühungen schlug sich nieder im Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz (2. FinMarktFördG), das am 30. Juli 1994 verkündet wurde und dessen wesentliche Bestandteile das Gesetz über den Wertpapierhandel (WphG) und Änderungen bestehender börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften waren. Mit diesem Gesetzeswerk ist erstmals in Deutschland eine umfassende staatliche Marktaufsicht an den Wertpapierbörsen (Börsenhandelsaufsicht) Realität geworden. Bereits fünf Jahre danach lässt sich feststellen, dass die grundlegend veränderte Aufsichtsstruktur die Attraktivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland nachhaltig verbessert und das Vertrauen in- und ausländischer Investoren erworben hat. 1.  Organisation der Börsenhandelsaufsicht Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Börsengesetz (BörsG) bedarf die Errichtung einer Börse der Genehmigung der zuständigen obersten Landesbehörde (Börsenaufsichtsbehörde). Der Begriff Börse ist derzeit aber nicht gesetzlich definiert. Nach dem überkommenen Börsenbegriff ist die Börse eine organisierte, regelmäßig in verhältnismäßig kurzen Zeitabständen stattfindende Zusammenführung von Angebot und Nachfrage in vertretbaren, typischerweise nicht zur Stelle gebrachten Gegenständen nach grundsätzlich einheitlichen Geschäftsbedingungen, mit dem Ziel, Vertragsabschlüsse zwischen im Regelfall allein zum Handel zugelassenen Kaufleuten zu ermöglichen (vgl. Schwark, Börsengesetz, 2. Auflage, § 1 Rn. 5). Der Handel in Wertpapieren, Derivaten und sonstigen zum börslichen Handel geeigneten fungiblen Gütern findet, in letzter Zeit begünstigt durch den Einsatz moderner Datentechnik, auch in elektronischen Handelssystemen außerhalb börsengesetzlich normierter Börsenveranstaltungen statt. Der Zugang zu diesen Handelssystemen ist nicht durch staatlich genehmigte Zulassungskriterien festgeschrieben und steht grundsätzlich - zumindest mittelbar - jedem offen. Diese elektronischen Handelssysteme sind als börsenähnliche Einrichtungen von der Börsenaufsichtsbehörde daraufhin zu überprüfen, ob es sich bei ihnen um genehmigungspflichtige Börsenveranstaltungen handelt, deren Handel dann in vollem Umfang ebenfalls der Börsenhandelsaufsicht nach den Vorgaben des Börsengesetzes unterworfen ist. Börsenhandelsaufsicht ist ein Teil der durch das 2. FinMarktFördG dreistufig organisierten deutschen Kapitalmarktaufsicht, wobei sich die drei Stufen in ihrer Wirksamkeit gegenseitig bedingen und ergänzen. Auf Bundesebene wurde das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) geschaffen. Dessen wesentliche Aufgaben sind: die präventive Bekämpfung sowie die Aufdeckung und Verfolgung von Insiderverstößen (§14 WphG), die Überwachung der Offenlegungspflichten beim Erwerb bedeutender Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften (§21 WphG), die internationale Zusammenarbeit mit den Wertpapieraufsichtsbehörden anderer Staaten (§ 19 WphG), die Überwachung der Einhaltung der Wohl verhaltensregeln (§35 WphG). Auf Landesebene werden die Börsenaufsichtsbehörden tätig. Ihnen obliegt die Rechtsaufsicht bezüglich des Handelns der Börsenorgane sowie zusätzlich die Marktaufsicht, d.h. die Überwachung des Verhaltens der Börsenhandelsteilnehmer auf Recht- und Ordnungsmäßigkeit. Maßgabe dabei ist die Einhaltung der geschriebenen und ungeschriebenen Regeln des Börsenhandels wie BörsG, Börsenordnung und Handelsbedingungen. Eine Überschneidung der Kompetenzen beider Aufsichtsebenen ist ausgeschlossen, da das BAWe nur die im WphG aufgeführten Aufgaben zu erfüllen hat und ihm somit keine Befugnisse im Bereich der Beaufsichtigung der Börsen und des börslichen Handels zukommen. Neben diese staatlichen Aufsichtsebenen tritt auf Börsenebene die HandelsÜberwachungsstelle (HÜSt) als mittelbare Staatsaufsicht. Sie ist nach Maßgabe der Börsenaufsichtsbehörde als unabhängiges Organ an jeder Börse einzurichten mit der Aufgabenstellung, den Handel an der Börse und die Börsengeschäftsabwicklung zu überwachen (§ lb BörsG). Es ergibt sich insoweit eine Überschneidung mit der Marktaufsichtskompetenz der Börsenaufsichtsbehörde. Als eigenständiges Organ innerhalb der Börse ist die HÜSt Ausdruck des Prinzips der Selbstüberwachung im Rahmen der Börsenselbstverwaltung. Die Selbstverantwortung der Börsen für die Schaffung und Aufrechterhaltung transparenter und attraktiver Marktplätze mit fairen Handelsbedingungen ist damit in geänderter Ausprägung vom Gesetzgeber bestätigt worden. Durch die gesetzliche Absicherung ihrer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit ist zugleich sichergestellt, dass die HÜSt den konkreten Prozess der Überwachung des börslichen Handels frei von Einwirkungsmöglichkeiten der übrigen Börsenorgane und der Handelsteilnehmer steuern und durchführen kann. Sie unterliegt einer umfassenden Informations- und Berichtspflicht gegenüber der Börsenaufsichtsbehörde und Börsengeschäftsführung. Diese rechtliche Ausgangsbasis ebenso wie die räumliche Nähe der HÜSt zum eigentlichen Handelsgeschehen und ihre unmittelbaren Zugriffsmöglichkeiten auf die börslichen Handelsund Abwicklungssysteme haben es ermöglicht, eine Arbeitsteilung zwischen Börsenaufsichtsbehörde und HÜSt dergestalt zu praktizieren, dass die laufende Überwachung des börslichen Handels und seiner Abwicklung allein von den "vor Ort" präsenten HandelsÜberwachungsstellen wahrgenommen wird. 2.  Kompetenzen der HandelsÜberwachungsstellen im Bereich der Börsenhandelsaufsicht Eine effiziente Börsenhandelsaufsicht bedarf, um ihrer Aufgabenstellung gerecht zu werden, der vollständigen Information über das Handelsgeschehen an der Börse. Die HÜSt hat deshalb entsprechend den börsengesetzlichen Vorgaben sämtliche Daten über den Börsenhandel und die Börsengeschäftsabwicklung systematisch und lückenlos zu erfassen und auszuwerten sowie notwendige Ermittlungen durchzuführen. Ihr stehen hierfür die selben Befugnisse wie der Börsenaufsichtsbehörde zu. Das sind insbesondere die Befugnis, von der Börsengeschäftsführung und den Börsenhandelsteilnehmern Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen verlangen sowie Prüfungen vornehmen zu können. Dazu bedarf es keines besonderen Anlasses oder konkreten Verdachtes; es muss lediglich ein Bezug der angeforderten Informationen zur Aufgabenstellung der HÜSt erkennbar sein. Das Vorhandensein konkreter Verdachtsmomente für das Vorliegen von Missständen oder Verstößen gegen börsenrechtliche Vorschriften oder Anordnungen ist demgegenüber Voraussetzung dafür, nicht nur von den Handelsteilnehmern, sondern auch von deren Auftraggebern und von den berechtigten oder verpflichteten Personen Auskünfte verlangen zu können über getätigte Geschäfte einschließlich der Angabe der Identität der an diesen Geschäften beteiligten Personen. Damit wird im Bedarfsfalle die gesamte Prozesskette von der Auftragserteilung bis zu ihrer Ausführung über sämtliche Zwischenstationen transparent. Durch die Übertragung dieser umfassenden Befugnisse ist die HÜSt in die Lage versetzt worden, ihrem Gesetzesauftrag zur konstanten und umfassenden Kontrolle des Börsenhandels jederzeit gerecht werden zu können. Schwerpunktmäßig konzentriert sich ihre Tätigkeit auf: die Überwachung der Preisfindung und der Handelsvolumina, die ständige Kontrolle der Einhaltung der Handelsusancen, die Beobachtung der Eigengeschäfte der preisfeststellenden Makler (Skontroführer), den Vergleich der Preise mit anderen Börsenplätzen und Handelsplattformen und das Aufdecken sonstiger Missstände, welche die ordnungsmäßige Durchführung des Handels an der Börse oder die Börsengeschäftsabwicklung beeinträchtigen können. 3.  Praktische Umsetzung der Börsenhandelsaufsicht Die Kemaufgabe der Börsenhandelsaufsicht wird in der Regierungsbegründung zu § 11 BörsG, der den Börsenpreis definiert und die Kriterien festlegt, die an einen ordnungsmäßig zustande gekommenen Börsenpreis zu stellen sind, so beschrieben: "Zentrale Verpflichtung jeglicher Börsenaufsicht ist die Gewährleistung eines manipulationsfreien Zustandeskommens von Börsenpreisen. Hierauf muss der Anleger vertrauen können." Als Grundvoraussetzung einer manipulationsfreien Börsenpreisbildung gelten: die Chancengleichheit aller Handelsteilnehmer, die Transparenz des Handelsgeschehens, eine ausreichende Liquidität als Basis des Preisbildungsprozesses und ein Regelwerk mit klarer Definition des Preisbildungsprozesses. Eine präventiv agierende Börsenhandelsaufsicht muss bereits im Vorfeld des Handelsgeschehens bei der Umsetzung dieser Grundvoraussetzungen aktiv werden und sicherstellen, dass Börsenordnung und Börsengeschäftsbedingungen diesen Anforderungen entsprechen. Das gilt sowohl für den Präsenzbörsenhandel als auch für elektronische Handelssysteme. Das Börsengesetz beschränkt sich in § 11 allein auf die Feststellung, dass Börsenpreise ordnungsmäßig zustande kommen müssen, den Handelsteilnehmern die Angebote zugänglich und ihnen deren Annahme möglich sein muss sowie im variablen Handel eine aus Angebot und Nachfrage ermittelte und den Handelsteilnehmern bekanntgegebene Preisspanne der Preisfeststellung vorangehen muss. Hinzu kommt gemäß § 29 Abs. 3 BörsG das Gebot der Gleichbehandlung aller zum Zeitpunkt der Preisfeststellung vorliegenden Aufträge. Eine weitergehende Konkretisierung ist in den Börsenordnungen und Geschäftsbedingungen der einzelnen Börsen erfolgt. An der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) hat darüber hinaus ein Usancenausschuss, dem Mitglieder aus den Bereichen der Handelsteilnehmer, der Maklerschaft, der Börsenaufsichtsbehörde, der Börsengeschäftsführung und der HÜSt angehören, detaillierte Preisfeststellungsregeln erarbeitet, die von der Börsengeschäftsführung als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift veröffentlicht wurden und die für die Skontroführer in allen Handelssegmenten -    amtlicher Markt, geregelter Markt, Frei verkehr - verbindlich sind. Für die HÜSt sind sie zugleich der eigentliche Anknüpfungspunkt für ihre laufende Überwachungstätigkeit. Börsengeschäft ist Massengeschäft. Bereits in 1998 wurden an allen deutschen Wertpapierbörsen rund 200.000 Geschäftsbestätigungen (Schlussnoten) erstellt. Zur Sicherstellung eines diesem Handelsvolumen adäquaten Überwachungsstandards musste deshalb ein System entwickelt werden, das sämtliche Börsengeschäfte und die ihnen vor- und nachgelagerten Aktivitäten im Bereich der Ordererteilung, -Übermittlung und -abwicklung einer zeitnahen standardisierten Überprüfung zugänglich macht. Das System muss zugleich ausreichend flexibel sein, um den Bedürfnissen des Einzelfalles angepasst weitergehende Untersuchungen durchführen zu können. Das von der FWB in Umsetzung des Gesetzesauftrages für alle deutschen Wertpapierbörsen entwickelte EDV-gestützte Überwachungssystem für den Präsenzbörsenhandel SIMA (System integrierter Marktüberwachung) entspricht diesen Anforderungen. Das System ist so konzipiert, dass es auf der Basis von Erfahrungswerten einer Referenzperiode nach Ablauf eines Börsen- handelstages sämtliche Handelsdaten auswertet und parametergesteuert wertneutrale Auffälligkeiten generiert, sobald bestimmte Merkmale eines Geschäftes hinsichtlich Preis, Umsatz, zeitlichem Ablauf oder beteiligter Handelspartner identifiziert sind. Neben dieser ex-post- Auswertung hat die HÜSt die Möglichkeit zur unmittelbaren Einsichtnahme in die elektronisch geführten Orderbücher der Skontroführer, um im Bedarfsfalle den Prozess der Preisfeststellung auch in Echtzeit überwachen zu können. Die vom System SIMA erzeugten Auffälligkeiten werden am nächsten Börsenhandelstag einer Bearbeitung unterzogen. In der Regel gibt es für die meisten Auffälligkeiten plausible Erklärungen. Signifikante Veränderungen von Preisen oder Umsätzen können z.B. durch entsprechende Unternehmensnachrichten oder ad hoc-Mitteilungen begründet sein. Sind derartige Erklärungen jedoch nicht vorhanden, werden die betroffenen Geschäfte einer eingehenden Analyse unterzogen. Dafür stehen der HÜSt sämtliche beurteilungsrelevanten Daten aus dem Handelsprozess zur Verfügung: angefangen von Ort und Zeit einer Ordereinstellung in das System BOSS (Börsenorderservice-System), über die Durchleitung über Zwischenstationen zum Skontroführer, den konkreten Bedingungen der Preisfeststellung bis hin zur evtl. Nachbearbeitung durch den Skontroführer. Je nach Bedarf ergänzt werden diese Standardauswertungen um Zeitraum- oder adressenbezogene Analysen (z.B. Preisveränderungen im Zeitverlauf sowie gegenüber Referenzwerten oder Indices, Konzentration der Geschäfte auf bestimmte Handelspartner). Besteht nach Abschluss dieser Analysetätigkeit weiterer Aufklärungsbedarf, schließt sich ein formales Auskunftsersuchen gegenüber den betroffenen Handelsteilnehmern an; - ggf. mit Verlangen der Offenlegung der Identität aller Beteiligten bis hin zum ursprünglichen Auftraggeber und Begünstigten oder Verpflichteten aus dem Geschäft. Nach Erhalt aller Informationen findet eine HÜSt-interne Wertung dahingehend statt, ob ein Verstoß gegen börsenrechtliche Vorschriften oder sonstige Missstände vorliegen könnten. Ist das der Fall, werden Börsenaufsichtsbehörde und Börsengeschäftsführung unverzüglich und umfassend unterrichtet. Auf der Basis der Erfahrungen mit dem System SIMA wurden für das elektronische Handelssystem Xetra der FWB sowie das Handelssystem der elektronischen Börse Eurex auf deren Handelsbedingungen zugeschnittene eigenständige Überwachungssysteme - Xetra Observer bzw. Eurex Observer - entwickelt. Sie gestatten ebenfalls die Generierung von wertneutralen Auffälligkeiten; wegen der Besonderheiten der elektronischen Handelssysteme jedoch in Echtzeit und zusätzlich noch zeitversetzt. Dadurch kann der Forderung nach zeitaktueller Überwachung in der gesamten Breite des Handelsgeschehens entsprochen werden. Unabhängig von dem Handelssystem zielen sämtliche Überwachungstätigkeiten darauf ab, manipulative Eingriffe in das Handelsgeschehen und insbesondere in den Preisbildungsprozess transparent machen und dadurch aufdecken zu können. Dazu zählen vor allem: •          Scheingeschäfte Das sind Geschäfte, die von den Handelspartnern nicht wirtschaftlich gewollt sind und entweder nicht erfüllt oder später wieder durch ein identisches Gegengeschäft aufgehoben werden. •          Abgesprochene Geschäfte / pre arranged trades Derartige Geschäfte kommen durch vorherige Absprachen der Handelspartner über das zu handelnde Produkt, die Menge, den Preis und den Zeitpunkt des Vorgehens zustande. Hierdurch sollen die in einem regulären Handelsprozess gegebenen Einwirkungsmöglichkeiten aller übrigen Teilnehmer ausgeschlossen werden. •          Kompensations- / Crossing-Geschäfte Hier tritt ein Handelsteilnehmer für Dritte nicht erkennbar gleichzeitig als Verkäufer und Käufer im selben Wert auf. •          Karussellgeschäfte Derartige Geschäfte finden statt zwischen zwei oder mehreren Handelsteilnehmern mit dem Ziel, den Börsenpreis für einen bestimmten Wert durch wiederholten Abschluss von gegenläufigen Geschäften in eine bestimmte Richtung zu verändern oder lediglich ein hohes Umsatzvolumen vorzutäuschen. Gemeinsames Merkmal dieser unerlaubten Eingriffe in das Handelsgeschehen ist, dass durch ihre Vornahme unbekannte Dritte oder der Markt insgesamt getäuscht oder geschädigt werden. Motiviationen dafür können sein: die Schaffung einer Preisbasis für die Geschäftsvereinbarung mit Kunden, z.B. bei Fest- preisgeschäften, das Vortäuschen von in den betroffenen Werten ansonsten nicht vorhandener Liquidität, die Beeinflussung der Stichtags- oder zeitraumbezogenen Werthaltigkeit von börsengehandelten Produkten, z.B. für bilanzielle Zwecke, vor Hauptversammlungsterminen, vor beabsichtigten Abfindungsangeboten, zur Aktivierung stiller Reserven, die indirekte Einflussnahme auf die Einbeziehung oder den Verbleib in Indices und die indirekte Einflussnahme auf den Preis von Derivaten durch zielgerichtete Aktivitäten im Basiswert. 4.  Sanktionierung der festgestellten Verstöße und Missstände Die Zuständigkeit der HÜSt endet mit Abschluss ihrer Ermittlungen. Die sich daran anschließende Sanktionsbefugnis kommt allein der Börsenaufsichtsbehörde und den Börsenorganen Börsengeschäftsführung oder Sanktionsausschuss zu. Ggf. sind zusätzlich die Bundesaufsichts- ämter für den Wertpapierhandel und/oder das Kreditwesen sowie die Staatsanwaltschaft zu unterrichten. Die Börsenaufsichtsbehörde hat Regelungs- und Sanktionsbefugnis gegenüber den von ihr bestellten amtlichen Kursmaklem und Kursmaklerstellvertretem. Alle übrigen Handelsteilnehmer unterfallen der Sanktionsbefugnis des Sanktionsausschusses oder der Börsengeschäftsführung. Das Verfahren vor dem Sanktionsausschuss ist in einer von der Börsenaufsichtsbehörde genehmigten Verordnung geregelt. Sind in einem derartigen Verfahren vor dem Sanktionsausschuss Verstöße gegen börsenrechtliche Vorschriften oder Anordnungen mit Bezug zum Börsenhandel oder zur Börsengeschäftsabwicklung oderdie Verletzung des Anspruches auf kaufmännisches Vertrauen oder die Ehre eines anderen Handelsteilnehmers festgestellt worden, kann er den Handelsteilnehmer mit Verweis, mit Ordnungsgeld bis zu 25.000 Euro oder mit Ausschluss von der Börse bis zu 30 Sitzungstagen belegen (§ 9 Abs. 2 BörsG). Die weitergehende Befugnis zur Rücknahme der Zulassung zum Börsenhandel steht allein der Börsengeschäftsführung zu (§ 7 Abs. 9 BörsG) zu. Die Sanktionsbefugnis der Börsenaufsichtsbehörde umfasst den gesamten Sanktionskatalog von Sanktionsausschuss und Börsengeschäftsführung. Die Entscheidungen aller sanktionsbefugten Stellen unterliegen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. Sämtliche rechtsverbindlich gewordenen Entscheidungen sind anschließend für die HÜSt Anlass, ihre konkreten Überwachungsinhalte und -maßnahmen den darin zum Ausdruck gebrachten Wertungen anzupassen, um insoweit stets im Einklang mit der aktuellen Rechtslage zu handeln. 5.  Kritik und Reformansätze Mittlerweile mehr als fünf Jahre Börsenhandelsaufsicht auf veränderter gesetzlicher Grundlage müssen Anlass für eine kritische Würdigung ihrer Struktur, Inhalte und Arbeitsweise sein. Anknüpfungspunkt für öffentlich vorgebrachte Kritik ist zwar meist die Aufsplitterung der nationalen Kompetenzen im staatlichen Bereich auf die zwei Ebenen Bund und Land. Auf die Effektivität der Börsenhandelsaufsicht durch die HandelsÜberwachungsstellen und die Sanktionierung der von ihr festgestellten Verstöße oder Missstände hat sich das bisher aber kaum als nachteilig ausgewirkt. Änderungsbedarf besteht jedoch in zunehmendem Maße, bedingt durch die ständig wachsende Internationalität des Handelsgeschehens, in dem Bereich der Aufdeckung und Bearbeitung von Verstößen durch Handelsteilnehmer mit Sitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Das mögen folgende Zahlen verdeutlichen: Ende 1998 domizilierten nur 39% der Eurex-Börsenhandelsteilnehmer in Deutschland, 61% hatten ihren Sitz im Ausland. Da Börsenhandelsaufsicht hoheitliches Handeln ist, bedarf die HÜSt bei der Umsetzung ihrer Ermittlungsbefugnisse gegenüber ausländischen Handelsteilnehmern der Amtshilfe durch die zuständigen ausländischen Aufsichtsbehörden. Dieses Verfahren gestaltet sich je nach Recht des betroffenen Staates als oft sehr umständlich und vor allem sehr zeitaufwendig. Zeit aber ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Effizienz jeder Aufsicht. Bemühungen zur Effizienzsteigerung müssen deshalb im Bereich der internationalen Kooperation ansetzen. Regelungsbedarf besteht auch im Spannungsverhältnis des börslichen zum außerbörslichen Handel. Im nicht überwachten außerbörslichen Handel individuell vereinbarte Preise haben wegen der Interdependenz der Märkte Auswirkungen auf das Preisniveau im börslichen Handel dieser Produkte. Gezielte Einwirkungen auf das börsliche Preisniveau durch entsprechende Aktivitäten im außerbörslichen Bereich können mangels Verfügbarkeit dieser Daten von der HÜSt in der Regel nicht identifiziert werden. Damit entzieht sich derzeit ein Teil der indirekten Einflussnahme auf den börslichen Handel der Überwachung durch die Börsenhandelsaufsicht "vor Ort". Börsenhandelsaufsicht soll in erster Linie die Funktionsfähigkeit des Börsenhandels sicherstellen und dadurch indirekt Anlegerschutz bewirken. Von der HÜSt festgestellte Verstöße von Börsenhandelsteilnehmern, die eine Schädigung Dritter bewirken, gelangen diesen wegen des Gebots der Verschwiegenheit nicht zur Kenntnis. Damit wird ihnen die Möglichkeit zum individuellen Schadensausgleich vorenthalten. Hier müsste geprüft werden, inwieweit das Verschwiegenheitsgebot im Interesse des Geschädigten durchbrochen werden kann.            





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