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Ausgabe 2014
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Insiderrecht

1.  Gegenstand des Insiderrechts und seine Entwicklung in Deutschland Insider sind Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Stellung oder auf andere Weise kursrelevante Informationen über börsennotierte Unternehmen oder sonstige Informationen über Umstände, die den Kurs von Wertpapieren beeinflussen können, früher als andere gegenwärtige oder potentielle Marktteilnehmer erhalten. Nutzen sie diesen Informationsvorsprung zu Geschäften in Wertpapieren oder Derivaten aus, so liegt ein Insiderhandelsgeschäft vor. Andere Formen von Insidergeschäften sind die Weitergabe der erlangten Informationen und die aufgrund ihrer Kenntnis gegebene Empfehlung, Wertpapiere oder Derivate zu erwerben oder zu veräußern. Derartige Geschäfte sind in vielen Rechtsordnungen bereits seit langem verboten. Verstöße gegen die entsprechenden Verbote sind mit straf- und/oder zivilrechtlichen Sanktionen belegt. In Deutschland fehlte es bis 1994 an einer gesetzlichen Regelung. Vor dem Hintergrund des zunächst wenig entwickelten Kapitalmarktes wurde hierfür kein Bedürfnis gesehen. Der zunehmende, durch Selbst- und Fremdfinanzierung nicht mehr zu deckende Kapitalbedarf der Wirtschaft, die steigende Nachfrage der privaten Haushalte nach Möglichkeiten der Geldanlage am Kapitalmarkt und verschiedene, in der Presse bekannt gewordene Fälle möglicher Insider- geschäfte führten jedoch dazu, dass die Frage der Behandlung solcher Geschäfte Gegenstand der kapitalmarktrechtlichen Diskussion wurde. Ende 1970 veröffentlichte die Börsensachverständigenkommission beim BundesWirtschaftsministerium "Empfehlungen zur Lösung der Insider-Probleme", die Insiderhandelsrichtlinien, die Händler- und Beraterregeln sowie eine Verfahrensordnung für eine Prüfungskommission enthielten. Dadurch sollte ein System der freiwilligen Selbstkontrolle geschaffen werden. Tatsächlich wurden sie von vielen Unternehmen akzeptiert, Insider-Fälle wurden indes kaum bekannt. Kritiker des Selbstregulierungsmo- dells führten dies auf dessen mangelnde Effizienz und Durchsetzungskraft zurück und forderten eine gesetzliche Regelung. Die Befürworter verteidigten es mit dem Hinweis darauf, dass in einer Marktwirtschaft grundsätzlich auf die wirtschaftslenkenden und reinigenden Kräfte des Marktes und der Marktteilnehmer vertraut werden könne. Diese Diskussion wurde durch die EG-Insiderhandelsrichtlinie vom 13.11.1989 (89/592/EWG), die eine gesetzliche Regelung des Insiderrechts in den Mitgliedsstaaten vorsah, gegenstandslos. Der Verpflichtung, die Richtlinie bis zum 1.6.1992 in nationales Recht umzusetzen, kam die Bundesrepublik Deutschland zunächst nicht nach. Grund hierfür war, dass das Insiderrecht in eine umfangreiche Neuregelung des Kapitalmarktrechts eingebettet werden sollte, mit der das Ziel einer umfassenden Marktaufsicht verfolgt wurde. Kompetenzkonflikte zwischen dem Bund - der eine zentrale Marktaufsicht favorisierte - und den Ländern, die ihre bis dahin bestehenden Aufsichtskompetenzen wahren wollten, verzögerten die Neuregelung. Erst die zunehmende ausländische Kritik am deutschen Kapitalmarkt und das Misstrauen gegenüber deutschen Kapitalanlageprodukten führten dazu, dass durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 26.7.1994 (BGBl. I 1749) das Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz - WpHG) geschaffen wurde. Kernstücke des Gesetzes, dessen Neufassung am 9.9.1998 bekannt gemacht wurde (BGBl. I 2708), sind das Verbot von Insidergeschäften (§§ 12 - 14 WpHG) sowie das Verbot begleitende Maßnahmen die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität von kursrelevanten Tatsachen (§15 WpHG), die Meldepflichten für Geschäfte in Wertpapieren und Derivaten (§ 9 WpHG) sowie die Melde- und Veröffentlichungspflichten bei Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen (§§ 21, 25, 26 WpHG). 1.  Ökonomische und rechtspolitische Grundlagen des Verbots von Insidergeschäften Die These, das Verbot und die Sanktionierung von Insidergeschäften seien sinnvolle Bestandteile des Kapitalmarktrechts, wurde in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA aufgestellt und mit der sog. equal-access-Theorie begründet. Danach sollen alle Marktteilnehmer den gleichen Zugang zu Informationen haben. Wertpapiertransaktionen, die von nicht öffentlich bekannten Informationen motiviert sind und zu Nachteilen für andere Marktteilnehmer führen könnten, seien zu unterlassen, ihre Ausführung sei zu sanktionieren. Davon ausgehend wurden Insidergeschäfte von amerikanischen Gerichten als Verstoß gegen verschiedene Regelungen des Securities Act (1933) und des Securities Exchange Act (1934), die betrügerische Verhaltensweisen bei Wertpapiertransaktionen verbieten, angesehen. Gegen die equal- access-Theorie, die insbesondere auf den Schutz der Anleger ausgerichtet war, wurde eingewandt, dass Insidergeschäfte die Anleger nicht schädigen würden und im Interesse eines effizienten Kapitalmarktes sogar wünschenswert seien. Diesen Ein wänden liegt die Überlegung zugrunde, dass auf Insidergeschäften beruhende Kurse alle kursrelevanten Informationen widerspiegeln. Insidergeschäfte hätten somit lediglich den Ausgleich zuvor bestehender Kursungleichgewichte zur Folge. Zudem könne die Erlaubnis zur Nutzung von Insiderinformationen als Teil der Vergütung des Managements angesehen werden und so einen Anreiz bieten, besonders hohe Erträge zu erwirtschaften. Auch unter dem Eindruck dieser Kritik verwarf der Supreme Court die equal-access-Theorie und entwickelte statt dessen die sog. fiduciary-duty- Theorie. Diese geht davon aus, dass das Verbot von Insidergeschäften nur durch ein Treueverhältnis zwischen dem Insider und dem Emittenten begründet werden könne. Die unbefugte Weitergabe vertraulicher Informationen verstoße gegen die Treuepflicht des Insiders. Der Kreis der möglichen Insider wurde damit auf leitende Angestellte von Wertpapiere emittierenden Unternehmen sowie auf die Anteilseigner börsennotierter Gesellschaften begrenzt. Insidergeschäfte von Markt-Insidern unterfielen demgegenüber keinem Verbot. Mit dem Ziel, diese Lücke zu schließen, begründete die Securities and Exchange Commission (SEC) die sog. misappropriation-Theorie, nach der über vertrauliche Informationen nur die Organe des Emittenten verfugen dürfen. Angestellte oder unternehmensnahe Dritte, die mit solchen Informationen in Berührung kommen, dürften sie nicht für eigene Zwecke nutzen. Die unbefugte Ausnutzung vertraulicher Informationen stelle einen Vertrauensbruch dar, der sanktioniert werden müsse. In Deutschland vermochten sich diese privatrechtlichen Begründungsansätze für ein Verbot von Insidergeschäften nicht durchzusetzen. Statt dessen wird überwiegend die Ansicht vertreten, das Verbot und die Sanktionierung von Insidergeschäften sei erforderlich, um die Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte und den Schutz der Anleger zu garantieren. Die hiergegen vorgebrachte Kritik stützt sich auf dieselben ökonomischen Argumente wie die Einwände gegen die equalaccessTheorie. Ihre Berechtigung ist nicht unbestritten. Die durch Insidergeschäfte herbeigeführte wünschenswerte Kursanpassung kann dadurch erreicht werden, dass die kursrelevanten Informationen öffentlich bekannt gemacht werden. Sondervorteile für Insider würden so nicht entstehen, die mögliche Schädigung anderer Marktteilnehmer wäre ausgeschlossen. Die gesellschaftsrechtlich denkbare Erlaubnis zur Nutzung von Insiderinformationen durch Unternehmenslnsider berücksichtigt nicht die Belange des Kapitalmarkts, denn durch Insidergeschäfte werden die Erwartungen der Marktteilnehmer enttäuscht, dass kursrelevante Informationen für alle in gleicher Weise zugänglich sind und nicht einzelne die Möglichkeit haben, durch Informationsvorsprünge Sondervorteile zu erzielen. Das Publikum wird einen Kapitalmarkt, der Insidergeschäfte nicht verbietet, entweder nicht betreten oder die dort angebotenen und gehandelten Papiere mit Abschlägen bewerten. Allein das rechtfertigt die Annahme, dass ein Verbot von Insidergeschäften zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes notwendig und mithin sinnvoller Bestandteil des Kapitalmarktrechts ist. Ohne ein solches Verbot könnte der Kapitalmarkt seine Funktion, die Ersparnisse privater Haushalte in das für Investitionen benötigte Kapital zu lenken, nicht erfüllen. Diese Erwägung liegt auch der EG-Insiderhandelsrichtlinie und den Vorschriften des WpHG zum Insiderrecht zugrunde. 2.  Das deutsche Insiderrecht im Überblick Adressaten des Verbots von Insidergeschäften sind zwei Kategorien von Insidern, die als Primärinsider und Sekundärinsider bezeichnet werden können. a)  Primärinsider Das Gesetz unterscheidet drei Gruppen von Primärinsidem (§ 13 I Nr. 1-3 WpHG). Erfasst werden darin Personen, die unmittelbaren Zugang zu einer Insidertatsache haben und tatsächlich von einer solchen Kenntnis erlangt haben (§ 13 I, II WpHG). Ihnen ist es untersagt, unter Ausnutzung ihres Wissens über eine Insidertatsache Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern, anderen unbefugt eine Insidertatsache mitzuteilen oder zugänglich zu machen oder auf Grundlage ihrer Kenntnis von einer Insidertatsache den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen (§ 14 I Nr. 1 bis 3 WpHG). - Im Einzelnen zählen zu den Primärinsidem zunächst die Mitglieder der Organe des Emittenten (Vorstände, Aufsichtsräte) oder eines mit dem Emittenten verbunden Unternehmens (§ 13 I Nr. 1 WpHG), und zwar auch dann, wenn dieses nicht an der Börse gehandelt wird oder über eine andere Rechtsform verfügt. - Weiterhin sind die am Kapital des Emittenten oder eines mit diesem verbundenen Unternehmens Beteiligten Primärinsider, soweit sie die Kenntnis über die Insidertatsache aufgrund ihrer Beteiligung erlangt haben (§ 13 I Nr. 2 WpHG). Auf den Umfang der Beteiligung kommt es nicht an. - Sodann gehören zu den Primärinsidem soiche Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Position bestimmungsgemäß, also nicht nur zufällig, Kenntnis von Insidertatsachen haben (§ 13 I Nr. 3 WpHG). Eine abschließende Aufzählung des betroffenen Personenkreises ist nicht möglich. Zweifelsfrei gehören hierzu Beschäftigte des Emittenten oder eines verbundenen Unternehmens, die mit für die Geschäfts- und Unternehmenspolitik relevanten Informationen in Berührung kommen; deren Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte; Beschäftigte von Banken, mit denen Geschäftsbeziehungen bestehen; Kurs- und Freimakler; Mitarbeiter der Börsengeschäftsführungen und der Finanz- und Wirtschaftsaufsichtsbehörden. Primärinsider können darüber hinaus Fonds Verwalter; Wertpapierhändler; Wertpapieranalysten, Anlageberater oder Journalisten werden, wenn ihnen anlässlich einer Unternehmenspräsentation kursrelevante Tatsachen mitgeteilt werden. Solange diese Tatsachen als Insidertatsachen anzusehen sind, dürfen sie grundsätzlich nicht verwertet werden. Angestellte eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, die Kenntnis von einer Insidertatsache erlangen, die aus einem anderen Geschäftsbereich des Unternehmens stammt, sind ebenfalls Primärinsider. Entsprechende Informationsflüsse müssen unternehmensintern durch geeignete Maßnahmen soweit wie möglich blockiert werden, um Interessenkonflikte oder Insidergeschäfte zu vermeiden (§33 WpHG). Dies kann nach dem Muster der US-amerikanischen Compliance durch sog. Chinese Walls, Watch-Lists und/oder Restricted-Lists erreicht werden. b)  Insiderpapiere Als Insiderpapiere erfasst das WpHG sämtliche verkörperten und unverkörperten Wertpapiere, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den Freiverkehr einbezogen sind; außerdem diejenigen Effekten, die in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 121 S. 1 Nr. 1 und 2 WpHG). Ist für derartige Wertpapiere bereits ein Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung in den Handel an den genannten Märkten gestellt oder öffentlich angekündigt worden, so gelten sie bereits ab diesem Zeitpunkt als Insiderpapiere (§ 12 I S. 2 WpHG). Unter den dargestellten Voraussetzungen gelten als Insiderpapiere darüber hinaus Rechte auf Zeichnung, Erwerb oder Veräußerung von Wertpapieren sowie weitere, näher bestimmte Derivate der erfassten Wertpapiere (§ 12II WpHG). c)  Insidertatsache Eine Insidertatsache ist eine nicht öffentlich bekannte Tatsache, die sich auf einen oder mehreren Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere bezieht und die geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs des Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen (§13 1 WpHG). Eine Bewertung, die aufgrund öffentlich bekannter Tatsachen erstellt wird, ist keine Insidertatsache, selbst wenn sie den Kurs eines Insiderpapiers erheblich beeinflussen kann (§ 13 II WpHG). - Tatsachen sind solche Umstände, die objektiv nachprüfbar sind. Meinungen oder Werturteile werden nicht erfasst. - Auf Emittenten von Insiderpapieren bezogene Tatsachen sind zunächst alle betriebswirtschaftlichen Daten wie Umsatz, Ertrag, Dividendenhöhe oder Kapitalmaßnahmen. Darüber hinaus sind sämtliche Informationen zu unterneh- mensinternen Abläufen oder Entscheidungen als Tatsachen anzusehen. Selbst der Umstand, dass sich ein Mitglied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft zu einer bestimmten Frage in irgendeiner Weise ("positive Ertragslage"; "hohes Entwicklungspotential") geäußert hat, stellt eine Tatsache dar. Dies gilt auch dann, wenn die Äußerung lediglich ein Werturteil oder die Kundgabe einer Meinung beinhaltete. - Vom Emittenten losgelöste, auf Insiderpapiere bezogene Tatsachen sind Umstände, die bei ihrem Bekanntwerden am Wertpapiermarkt eine Reaktion hervorrufen können, z.B. Nachrichten über Leitzinsänderungen, Kabinettsbeschlüsse auf Bundes- oder Landesebene oder Informationen über Ermittlungsverfahren in Steuer- und Wirtschaftsstrafsachen. - Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist eine Tatsache öffentlich bekannt, wenn ihre Kenntnisnahme einer unbestimmten Anzahl von Personen möglich ist. Das Insiderrecht schützt indes nur die Erwartungen eines bestimmten Personenkreises, nämlich die der (tatsächlichen und potentiellen) Marktteilnehmer. Zu deren Schutz ist es ausreichend, dass sie von den hier relevanten Tatsachen Kenntnis nehmen können. Daher ist eine Tatsache im Sinne des Insiderrechts bereits dann öffentlich bekannt, wenn die Marktteilnehmer die Möglichkeit haben, sie zur Kenntnis zu nehmen, also die sog. Bereichsöffentlichkeit durch Veröffentlichung über verbreitetes elektronisches Informationssystem oder in einem Börsenpflichtblatt hergestellt wurde. Mit Herstellung der Bereichsöffentlichkeit ist die Tatsache als öffentlich bekannt anzusehen. Eine über diesen Zeitpunkt hinausgehende "Reaktionszeit" für die Marktteilnehmer ist nicht anzuerkennen. - Die Feststellung, ob danach nicht öffentlich bekannte Tatsachen zu einer erheblichen Kursbeeinflussung geeignet sind und somit zu den Insidertatsachen gehören, verlangt eine objektive Beurteilung der Tatsachen zu dem Zeitpunkt, in dem das in Frage stehende Geschäft vorgenommen werden soll oder getätigt wurde. Demjenigen, der vor der Frage steht, ob eine ihm bekannte Tatsache eine Insidertatsache ist, die ein Handels-, Weitergabe und Empfehlungsverbot begründet, wird also eine Prognose abverlangt. Auf die tatsächliche Kursentwicklung kommt es nicht an, sie wird aber als Indiz für die Prüfung der Frage, ob gegen eines der Verbote verstoßen wurde, heranzuziehen sein. Zu fragen ist, ob aufgrund der Situation am Markt vor der geplanten bzw. durchgeführten Transaktion, die ausgenutzte Information im Falle ihres Bekanntwerdens erhebliche Kursbewegungen auslösen wird bzw. ausgelöst hätte. Es muss ermittelt werden, welche Anlageentscheidung der Durchschnitt der Marktteilnehmer vernünftigerweise treffen würde bzw. getroffen hätte, und wie der Kurs sich dann entwickeln würde bzw. entwickelt hätte. Nach der Gesetzesbegründung ist regelmäßig dann von einer erheblichen Kursbewegung auszugehen, wenn gemäß § 8 der Geschäftsbedingungen der deutschen Börsen durch den Kursmakler eine einfache Plus- /Minusankündigung zu erfolgen hat, was gegenwärtig bei Aktien im Präsenzhandel bei 5% voraussichtlicher Kursabweichung der Fall ist. Im Einzelfall kann aber auch bei einer geringeren Kursabweichung eine erhebliche Kursbewegung anzunehmen sein, oder eine über der 5%- Schwelle liegende Abweichung ist (noch) nicht als erheblich anzusehen. Insoweit ist die allgemeine Entwicklung der Kurse im jeweiligen Marktsegment und vergleichbarer Werte mit zu berücksichtigen. Wegen der am Terminmarkt zu beobachtenden stärkeren Schwankungen sind dort höhere Schwellenwerte anzusetzen. d)  Inhalt der den Primärinsider treffenden Verbote Das den Primärinsider gemäß § 14 I Nr. 1 WpHG treffende Verbot, unter Ausnutzung seiner Kenntnis von einer Insidertatsache Insiderpapiere zu veräußern oder zu erwerben (Nutzungsverbot), betrifft alle denkbaren Formen börslicher und ausserbörslicher Wertpapiergeschäfte, die durch die Kenntnis der Insidertatsache motiviert sind. Nicht erforderlich ist, dass das Geschäft unmittelbar ein mit der Insidertatsache im Zusammenhang stehendes Wertpapier betrifft. Hat ein Primärinsider Kenntnis von einer ein bestimmtes Unternehmen betreffenden Insidertatsache, so sind ihm auch der Erwerb von Call-Optionen, Optionsscheinen oder der Kauf bzw. die Veräußerung von Aktien eines konkurrierenden Emittenten verboten. Das Verbot gilt - ohne dass dies im Wortlaut des § 14 I WpHG zum Ausdruck kommt - nach der Gesetzesbegrünung nur für Transaktionen, die darauf gerichtet sind, sich oder einem anderen einen Sondervorteil zu verschaffen. Andernfalls fehlt es am Ausnutzen der Kenntnis einer Insidertatsache. Die an einer Entscheidung über eine kursrelevante Aktion (Wertpapiergeschäft, Übernahmeangebot) Beteiligten, sind daher selbst dann, wenn die Entscheidung eine Insidertatsache darstellt, nicht daran gehindert, diese durch ein Wertpapiergeschäft umzusetzen. Auch diejenigen, die das Geschäft ausführen, also die beteiligten Börsenhändler, Kurs- oder Freimakler verstoßen nicht gegen das Verbot des Insiderhandels. Ein verbotenes Insidergeschäft ist dagegen anzunehmen, wenn ein Makler seine Kenntnis von einer Insidertatsache zu einem Eigengeschäft ausnutzt, um von einer nach ihrem Bekanntwerden zu erwartenden Kursveränderung zu profitieren (Frontrunning). - Die Frage, ob § 14 I Nr. 1 WpHG auch das sog. Scalping verbietet, ist noch ungeklärt. Beim Scalping besteht die Strategie in der Regel darin, dass sich der Handelnde - Journalisten oder einflussreiche Marktteilnehmer - mit Insiderpapieren eindeckt, danach entsprechend einem vor dem Kauf gefassten Entschluss eine Empfehlung in bezug auf diese Wertpapiere abgibt, und diese nach Veröffentlichung der Empfehlung sowie dem darauf beruhendem Kursanstieg gewinnbringend veräußert. Ob der bereits beim Kauf gefasste Entschluss, die Wertpapiere bei Kursanstieg zu verkaufen, eine Insidertatsache gemäß § 13 I WpHG darstellt, ist jedoch fraglich. Darüber hinaus erhält der Handelnde nicht aufgrund seiner Stellung, seiner Beteiligung oder seines Berufes Kenntnis von dieser "Tatsache", ist also kein Insider im Sinne von § 13 I WpHG. Eher dürfte hier eine gemäß § 88 Börsengesetz (BörsG) i. d. F. vom 9.9.1998 (BGBl. I 2682) strafbare Manipulation des Börsenkurses anzunehmen sein. - Gemäß § 141 Nr. 2 WpHG ist es Primärinsidem verboten, einem anderen unbefugt eine Insidertatsache mitzuteilen oder zugänglich zu machen (Weitergabeverbot). Befugt ist die Mitteilung einer Insidertatsache im Rahmen der gesetzlichen Meldepflichten gemäß § 15 WpHG (Ad-hoc-Publizitätspflicht) sowie die aus betrieblichen Gründen erforderliche Weitergabe der Insidertatsache. Letztere ist anzunehmen, wenn der Empfänger die Insidertatsache kennen muss, um seinen beruflichen Pflichten nachkommen zu können. Zulässig ist die Weitergabe der Insidertatsache auch zur Erfüllung gesetzlicher Informations- und Unterrichtungspflichten (z.B. nach §§ 80 II, 90, 92, 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) i. d. F. 23.12.1988 (BGBl. I 1, ber. 902) m. spät. Änd.; § 320 II Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10.5.1897 (RGBl. 219) m. spät. Änd.; § 145 II Aktiengesetz (AktG) vom 6.9.1965 (BGBl. I 1089) m. spät. Änd.). - Umstritten ist, ob der Vorstand einer Aktiengesellschaft durch § 141 Nr. 1 WpHG gehindert ist, das Auskunftsverlangen eines Aktionärs in der Hauptversammlung nach § 1311 AktG zu erfüllen, wenn dies nur durch Mitteilung einer Insidertatsache geschehen kann. Hierdurch könnten auch Dritte (Gäste, unbefugte Teilnehmer), die nicht unter die Primärinsider fallen, Zugang zu der Insidertatsache bekommen. Diese unterliegen als Sekundärinsider lediglich einem Nutzungsverbot nach § 14 II WpHG, nicht aber dem Weitergabeverbot, was dafür spricht, dass der Vorstand verpflichtet ist, die Auskunft zu verweigern. Er muss deshalb vorab prüfen, ob einzelne Tagsordnungspunkte Bezüge zu Insidertatsachen haben und die entsprechenden Tatsachen veröffentlichen. Die Hauptversammlung ist aufgrund des Äus- kunftsbegehrens ggf. zu unterbrechen, damit die Ad-hoc-Publizität oder, soweit es sich zwar um eine Insidertatsache, aber nicht um eine der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegende Tatsache handelt, die Öffentlichkeit hergestellt werden kann. Erst danach darf die betreffende Tatsache in der Hauptversammlung mitgeteilt werden. - Bisher ungeklärt ist, ob Journalisten, die nicht durch eine Unternehmenspräsentation, sondern durch eigene Ermittlungen ("Enthül- lungsjournalismus") Insiderinformationen erhalten haben, durch das Verbot des § 14 I Nr. 2 WpHG an der Veröffentlichung dieser Informationen vor Herstellung der Bereichsöffentlichkeit gehindert sind. Der Annahme eines solchen Verbotes dürfte die verfassungsrechtlich garantierte Pressefreiheit entgegenstehen. - Das Weitergabeverbot wird durch das in § 14 I Nr. 3 WpHG niedergelegte Verbot, die Veräußerung und den Erwerb von Insiderpapieren zu empfehlen (Empfehlungsverbot), ergänzt. Auch der Tipp ohne Mitteilung der Insidertatsache ist dem Primärinsider untersagt. e)  Sekundärinsider Sekundärinsidem, das sind "Dritte", die Kenntnis von einer Insidertatsache haben, ist es verboten, unter Ausnutzung ihres Wissens über eine Insidertatsache Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für andere zu erwerben oder zu veräußern (Nutzungsverbot, § 14 II WpHG). Die Art und Weise der Kenntniserlangung ist für das Verbot ebenso unbeachtlich wie die Herkunft der Information. Wer lediglich eine Empfehlung erhalten hat, die Insidertatsache selbst aber nicht kennt, ist kein Sekundärinsider. Dem Verbot des § 14 II WpHG unterliegen Sekundärinsider nur, wenn sie die Kenntnis der Insidertatsache für ein Wertpapiergeschäft ausnutzen wollen. Das Verbot trifft damit nicht diejenigen, die die ihnen bekannte Tatsachen nicht als Insidertatsache erkennen. f)  Bekämpfung des Insiderhandels Innerhalb des Aufsichtssystems für den Wertpapierhandel überwacht das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) das börsliche und außerbörsliche Geschäft mit Insiderpapieren, um Verstößen gegen die Verbote des § 14 WpHG entgegenzuwirken (§16 WpHG). Dem BAWe sind grundsätzlich sämtliche Geschäfte in Wertpapieren und Derivaten zu melden (§ 9 WpHG). Soweit sich Anhaltspunkte für verbotene Transaktionen oder Verstöße gegen das Weitergabe- bzw. Empfehlungsverbot ergeben, kann es von den Marktteilnehmern Auskunft über die getätigten Geschäfte und die Identität der Beteiligten sowie die Vorlage von Unterlagen verlangen (§ 16 II bis V WpHG). Das BAWe muss ihm dadurch bekannt gewordene Tatsachen, die den Verdacht eines Verstoßes gegen das Verbot von Insidergeschäften und damit einer Straftat begründen, der zuständigen Staatsanwaltschaft anzeigen (§18 WpHG), die über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entscheidet. - Neben dem BAWe beaufsichtigen die Börsenaufsichtbehörden der Länder (§ la BörsG) und die HandelsÜberwachungsstellen der Börsen (§ lb BörsG) den börslichen Handel mit Wertpapieren und Derivaten. Stellen sie Tatsachen fest, die die Annnahme rechtfertigen, dass durch Handelsteilnehmer verbotene Insidergeschäfte getätigt wurden, so haben sie das BAWe davon zu unterrichten (§§ 6 III WpHG, lb V BörsG). g)  Sanktionen Wer als Primär- oder Sekundärinsider gegen die in § 14 WpHG formulierten Verbote verstößt, ist gemäß § 38 Abs.l Nr. 1 bis 3 WpHG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe zu bestrafen. Die Bestrafung kann zum Verfall des aus der Tat erlangten Insidergewinns an den Staat fuhren (§ 73 Strafgesetzbuch - StGB i. d. F. vom 10.3.1987 (BGBl. I 945), m. spät. Änd.). Verstöße gegen die die Verbote flankierende Ad-hoc-Publizitätspflicht können mit Bußgeld bis zu anderthalb Millionen Euro, Verstöße gegen die sonstigen Melde- und Veröffentlichungspflichten mit Bußgeld bis zu fünfhunderttausend Deutsche Mark (§ 39 WpHG). Die Zahl der vom Bundesaufsichtsamt eingeleiteten Untersuchungen zu Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften steigt nach den Jahresberichten des BAWe jährlich. Strafverfahren wurden bisher nur selten eingeleitet. Dies dürfte an den in ihren Einzelheiten sehr komplizierten Regelungen des Insiderrechts, den schwer beweisbaren subjektiven Voraussetzungen für die Annahme einer Straftat und dem hohen, Spezialisten erfordernden Ermittlungsaufwand liegen. - Ein Verstoß gegen die Verbote des § 14 WpHG kann auch zivilrechtliche Konsequenzen haben. Wird einem Mitglied des Aufsichtsrates oder einem Vorstandsmitglied des Emittenten ein solcher Verstoß nachgewiesen, so liegt hierin ein wichtiger Grund für die Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds gemäß § 103 AktG bzw. für den Widerruf der Bestellung des Vorstandsmitglieds gemäß § 84III AktG. Zudem rechtfertigt der Nachweis die Kündigung des Anstellungsvertrages des Vorstandsmitglieds gem. § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dies gilt ebenso bei Insidergeschäften von sonstigen Angestellten des Emittenten. Wird die Gesellschaft durch das Insidergeschäft geschädigt (z.B. dadurch, dass sich ein von ihr geplantes Übernahmeangebot an die Aktionäre einer anderen Gesellschaft verteuert), so haftet ihr das Aufsichtsratsmitglied gemäß §§ 116, 93 II AktG, das Mitglied des Vorstandes gemäß § 93 II AktG auf Schadensersatz. Zudem kommen Ansprüche der Gesellschaft aus § 823 II BGB (unerlaubte Handlung) i.V.m. § 404 AktG, § 204 StGB oder § 17 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 17.6.1909 (RGBl. 499) m. spät. Änd. sowie ein Anspruch aus § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) in Betracht. Problematisch sind indes die Ermittlung der Schadenshöhe und der Nachweis, dass der Schaden gerade aufgrund des Verstoßes gegen das jeweilige Verbot entstanden ist. Die Abschöpfung der vom Unternehmens-Insider erzielten Vorteile in Form von Gewinnen oder vermiedenen Verlusten durch die Gesellschaft gemäß § 687 II (angemaßte Eigengeschäftsführung) bzw. § 812 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung) ist nicht möglich. Der Unternehmens-Insider führt weder ein Geschäft der Gesellschaft, noch greift er in deren Recht auf Verwertung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ein. Denn der Gesellschaft selbst wäre es verwehrt, ein Insidergeschäft vorzunehmen. - Für den Vertragspartner des Insiders im Falle eines außerhalb der Börse getätigten Wertpiergeschäfts kommt ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB in Betracht. Anleger, die Wertpapiere über die Börse erworben oder veräußert haben, können ebenfalls einen Anspruch auf Ersatz des dadurch erlittenen Schadens aus § 826 BGB gegen einen Insider haben, der unter Verstoß gegen § 14 I, II WpHG am Handel teilgenommen oder diesen beeinflusst hat. Darüber hinaus kommt ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 II BGB i.V.m. § 14 I, II WpHG in Betracht. Obwohl das Verbot von Insidergeschäften vorrangig das Funktionieren des Kapitalmarktes sicherstellen soll, dient es auch dem Schutz des einzelnen Anlegers. Dieser ist im Ergebnis so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Insider nicht am Handel teilgenommen hätte oder diesen beeinflusst hätte. Die Ermittlung und der Beweis des konkreten, auf dem Verstoß gegen § 14 WpHG beruhenden Schadens ist allerdings auch hier nicht unproblematisch. Der Anleger hat das Wertpapiergeschäft aufgrund eines eigenen Entschlusses getätigt. Bei Transaktionen unter Beteiligung des Insiders wäre, hätte der Insider nicht gehandelt, regelmäßig ein Dritter an dessen Stelle getreten, so dass sich die Vermögenslage des Anlegers meist nicht anders entwickelt hätte. Der Nachweis, dass er ohne Beteiligung des Insiders am Handel hätte günstiger kaufen oder verkaufen können, ist durch den Anleger kaum zu erbringen. Insgesamt sind daher die Möglichkeiten geschädigter Anleger, Schadensersatz zu erlangen, sehr begrenzt. Literatur ASSMANN; H.-D: (1994), Das künftige deutsche Insiderrecht, in: AG, S. 196 - 206 (Teil I) und S. 237 - 258 (Teil II). ASSMANN, H.-D: (1997), Rechtsanwendungsprobleme des Insiderrechts, in: AG, S. 50 - 58. HOPT, K. J./WYMEERSCH, E. (Hrsg.), European Insider Dealing, London u.a.. KAISER, A. (1997), Die Sanktionierung von Insiderverstößen und das Problem der Kurs manipulation, in: WM, S. 1557 - 1563. LAHMANN, K. (1994), Insiderhandel, Ökonomische Analyse eines ordnungspolitischen Dilemmas, Berlin.





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